Joachim von Ribbentrop - weder aristokratisch noch begabt

Nach manchen Einschätzungen war er nicht einmal ein richtiger Nazi. Aber Anfang der 1930er-Jahre unterstützte er Hitler, und während der Vorbereitung der Kriegsoffensive wurde er zum Reichsaußenminister ernannt. Joachim von Ribbentrop war derjenige, der den Nichtangriffsvertrag mit der Sowjetunion im Namen Deutschlands unterzeichnete.

 Als aber Deutschland den Vertrag verletzte, spielte der Minister keine so große Rolle mehr. Seine Versuche zur Spaltung der Anti-Hitler-Koalition scheiterten. Anschließend konzentrierte sich Ribbentrop auf das Ausrauben der okkupierten Gebiete und auf die Deportation der Juden.

Bürgerlicher im Adel

Ullrich Friedrich Willy Joachim Ribbentrop wurde am 30. April 1893 im preußischen Wesel geboren. Er stammte aus einer adeligen Familie ohne einen Titel. Als der Junge neun Jahre alt war, starb seine Mutter an Tuberkulose. Sein Vater heiratete zum zweiten Mal, und bald zog die Familie in die Schweiz. Dort sah Joachim viele wohlhabende Reisende mit Adelstiteln aus ganz Europa. Daraufhin wuchs offensichtlich sein Interesse für die feine Gesellschaft mit ihren Attributen: Macht, Reichtum und entsprechende Titel.

1910 ging er mit seinem Bruder nach Kanada, wo er ein Geschäft eröffnete, das sich auf den Weinimport aus Deutschland nach Nordamerika spezialisierte. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, kehrte Joachim Ribbentrop nach Deutschland zurück und ging als Freiwilliger an die Front. Dabei verheimlichte er vor den Ärzten, dass ihm wegen Tuberkulose eine Niere entnommen worden war.

Nach einer Verletzung wurde Ribbentrop zum Mitglied der deutschen Militärmission in Konstantinopel ernannt, wo er den künftigen Reichskanzler und Nürnberger Angeklagten Franz von Papen kennen lernte.

Dann wurde der Friedensvertrag von Versailles geschlossen. Entsprechend dem Vertrag wurde die deutsche Armee beinahe aufgelöst, die politische Macht war schwach und der 25-jährige Ribbentrop, der große Ambitionen hatte, fand den Staatsdienst nicht mehr so attraktiv. Er wurde wieder Unternehmer und eröffnete in Berlin ein Geschäft, das französische Weine und Liköre verkaufte. In dieser Zeit lernte er den Besitzer der Firma Henkell & Co., Otto Henkell, kennen. 1920 heiratete er dessen Tochter Anna Elisabeth und wurde Vertreter von Henkell & Co. in Berlin.

Dank seinem Schwiegervater pflegte Ribbentrop ab jetzt Kontakte mit großen Weinhändlern. 1923 baute er eine Villa mit einem Tennisplatz und einem Schwimmbad in Berlin-Dahlem. Zu seinen Partys kam der Berliner Jetset – Adelige, Finanziers, Industrielle.

Laut seinen Zeitgenossen war Ribbentrop nach seinen Ansichten und Gewohnheiten eher ein Bourgeois, wollte aber um jeden Preis „ein richtiger Aristokrat“ werden. Am Ende fand er eine Möglichkeit, die begehrte Präposition „von“ vor seinem Familiennamen zu bekommen. 1925 ließ er sich im Alter von 32 Jahren formell von einer entfernten Verwandten namens Gertrud von Ribbentrop adoptieren. Man behauptete, er hätte sie dafür jahrelang bezahlt.

Liebe kann bösartig sein

Aber wie wurde es denn möglich, dass Ribbentrop, ein reicher und aufgeklärter Mann aus dem Jetset, sich plötzlich den Nazis anschloss – einer Bewegung aus wenig gebildeten Proletariern, gewalttätigen Marodeuren, Kirchenhassern, die von Gleichheit und Sozialismus träumten?

1930 lernte Ribbentrop über einen Kriegskameraden Hitler kennen. Seit dieser Zeit gehörte er zu den Sponsoren der NSDAP, der er am 1. Mai 1932 beitrat. Ribbentrop wurde auch SS-Mitglied: Am 30. Mai 1933 wurde er zum Standartenführer ernannt.

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„Ich vermute, dass er überhaupt nie ein Anhänger der Rassentheorie der Nazis war“, sagte der russische Historiker Wassili Molodjakow. „Aus meiner Sicht sah Ribbentrop, wie auch manche andere Politiker, ein, dass sich die bürgerliche Weimarer Republik wegen der Weltwirtschaftskrise ihrem Ende näherte. Und zwischen zwei Übeln, dem Sieg der Kommunisten und der nazistischen Diktatur, entschied er sich für das zweite.“

In seinen Erinnerungen, die er im Nürnberger Gefängnis schrieb, gab Ribbentrop selbst zu, von Hitler einfach bezaubert worden zu sein. Ein anderer bekannter Angeklagter von Nürnberg, der Lieblingsarchitekt des Führers und Reichsminister für Bewaffnung und Munition Albert Speer bemerkte ironisch, dass es in Ribbentrops Arbeitszimmer von seinen gemeinsamen Fotos mit Hitler gewimmelt hätte. Aber bei näherer Betrachtung habe man feststellen können, dass dies ein und dasselbe Foto gewesen sei, aber zig Mal vervielfältigt.

Als im Laufe der Nürnberger Prozesse Hitlers Propagandafilme als Beweise für die Schuld der Nazis gezeigt wurden, weinte Ribbentrop und fragte den Gerichtspsychologen immer wieder, ob er denn die persönliche Kraft des Führers nicht spüren könne. 

Experte für delikate Aufträge

Auch Hitler empfand offenbar Sympathie für Ribbentrop. Seit Ende 1932 führte der künftige Reichsführer in Ribbentrops Villa in Dahlem geheime Verhandlungen mit Politikern, die Verbündete der NSDAP hätten werden können. Einer von ihnen war von Papen, der 1933 für eine kurze Zeit den Posten des Vizekanzlers bekleidete.

In den frühen 1930ern war das nach dem Ersten Weltkrieg entwaffnete Deutschland zwischen dem starken Frankreich und dem immer stärker werdenden Polen „eingeklemmt“. Als Hitler 1933 an die Macht kam, beauftragte er Ribbentrop, der zu dem Zeitpunkt Reichstagsabgeordneter war, mit einer delikaten Aufgabe: Er sollte mit Berlins Opponenten Verhandlungen aufnehmen und diese schwächen, wobei Deutschlands Militärpotenzial wachsen würde, damit es zu einer offenen Konfrontation bereit wäre.

Im April wurde in Berlin die „Dienststelle Ribbentrop“ eröffnet – eine Art Denkfabrik, die den Führer mit außenpolitischen Informationen versorgte. Dort gab es 13 Mitarbeiter und mehrere „nebenberufliche“ Berater. Ribbentrop hatte die Aufgabe, die Weltgemeinschaft zu überzeugen, dass Deutschland entgegen den Bedingungen des Friedensvertrags von Versailles aufrüsten müsste.

Beachtenswerte diplomatische Erfolge blieben jedoch aus: Frankreich wollte keine Kompromisse mit dem Dritten Reich. Dann erklärte Hitler einfach, dass Deutschland frei von jeglichen Verpflichtungen im Sinne des Vertrags von Versailles sei und ohne jegliche Kontrolle von außerhalb aufrüsten könne, einfach weil das deutsche Volk diese Idee befürworte.

Scheitern der Mission in Großbritannien

1935 schickte Hitler Ribbentrop nach Großbritannien – als Botschafter für Sonderaufträge, wo er das Deutsch-Britische Flottenabkommen treffen konnte. Ribbentrop vermutete, dass Berlin und London einen Bund gegen die Bolschewiki schließen müssten. Wie Ribbentrop in einem Brief an einen Kollegen in Rom zugab, sah er eine der wichtigsten Aufgaben der deutschen Diplomatie auf der Insel darin, die Briten über die wahre Gefahr des Bolschewismus aufzuklären.

Am 26. Oktober 1936 wurde dank den Aktivitäten Ribbentrops der Vertrag zwischen Deutschland und Italien abgeschlossen. Und am 5. November wurde der Antikominternpakt zwischen Japan und Deutschland unterzeichnet, dessen Ziel es war, sich gegen den Kommunismus zu wehren. So entstand Hitlers Koalition der „Achsenmächte“.

Ribbentrop bemühte sich darum, den britischen Außenminister Anthony Eden zu überzeugen, dass dieser Pakt gegen niemanden außer der Kommunisten gerichtet sei, und dass es für Londons Beitritt zu dem Dokument keine Hindernisse geben würde. Allerdings wollte man auf der Insel die „kommunistische Gefahr“ nicht einsehen. Ende 1937 wurde klar, dass London keine Annäherung an Hitlers Deutschland wollte. Berlin blieb nichts anderes übrig, als weiter aufzurüsten.

Dank der Gründung der Wehrmacht und der Rheinlandbesetzung habe Deutschland für sich eine neue Position erobert, sagte Hitler im Vorfeld der Ernennung von Ribbentrops zum Außenminister. Es gehöre wieder dem Kreis der gleichberechtigten Nationen an, und es sei höchste Zeit, mithilfe der Wehrmacht gewisse Probleme zu lösen, allerdings keineswegs durch ihren Einsatz, sondern weil es sie einfach gab.

Als klare Verhältnisse zu den Nachbarn bezeichnete Hitler den Anschluss der von Deutschen besiedelten benachbarten Regionen an Deutschland – Österreich, das Sudetenland der Tschechoslowakei, die Stadt Memel in Litauen und der Danziger Korridor – polnisches Territorium, das Ostpreußen vom restlichen Deutschland trennte.

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Diese Idee war eine Fortsetzung der Vereinigungspolitik, die in der zweiten Hälfte des 19. Jh. von Kanzler Otto von Bismarck durchgeführt wurde. Der Unterschied bestand darin, dass das Land 1938 nicht mehr das respektierte kaiserliche Deutschland, sondern ein totalitärer Staat mit Rassengesetzen und harter Unterdrückung von Andersdenken war.

Nichtübereinstimmung mit dem Amt

Am 4. Februar 1938 ernannte Hitler Ribbentrop zum Außenminister statt des entlassenen Konstantin von Neurath, der die aggressiven Pläne Hitlers nicht teilte.

Der neue Außenminister wurde von vielen nicht anerkannt. Er sprach verschiedene Fremdsprachen, verkehrte seit langem unter der deutschen Elite und erreichte bestimmte außenpolitische Erfolge. Doch das deutsche außenpolitische Korps hielt ihn nicht für einen der „Unsrigen“, und das Verhalten Ribbentrops entsprach nicht dem Protokoll. Zudem nazifizierte er völlig das Amt und schuf da ein Organ, das sich mit Partei- und ideologischen Fragen befasste.

Das sei ein Mensch gewesen, der einen verantwortungsvollen Posten innehatte, für den er keine Talente, Kenntnisse und Erfahrungen hatte, er wusste das sehr gut, erinnerte sich der Berater der deutschen Botschaft in der Sowjetunion Gustav Hilger. Zugleich habe er sich bemüht, seine Minderwertigkeit durch Arroganz zu verdecken, die oft unerträglich gewesen sei. Ribbentrop führte im Ministerium eine grobe Sprache eines Unteroffiziers. Zudem hatte er die psychisch ungesunde Leidenschaft, sich in den Vordergrund zu stellen und in einem maximal luxuriösen Stil zu leben, so Hilger.

Zunächst spielte Ribbentrop keine Hauptrolle bei den auswärtigen Angelegenheiten. Der Anschluss Österreichs wurde vor allem von Hitler und Göring vorbereitet, während der Minister sich in London auf den Weg vorbereitete. Laut Ribbentrop war Anschluss ein Beispiel des Arbeitsstils Hitlers, der eine endgültige Entscheidung immer hinter sich ließ und sie oft zu einem Zeitpunkt traf, der selbst in seinem engsten Umfeld unerwartet war. Eine größere Rolle spielte das Ministerium bei der Arbeit am Münchner Abkommen.

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Lieblingspakt Ribbentrops

Zum Erfolg Ribbentrops wurde der Vertrag mit der Sowjetunion. Im März 1939 scheiterten die deutsch-polnischen Verhandlungen über den Danziger Korridor – Polen erreichte ein Militärbündnis mit Großbritannien und Frankreich. Auf dem Rückweg aus Warschau sagte Ribbentrop, dass man nun den einzigen Weg habe, wenn man nicht eingekesselt werden wolle – sich mit Russland zusammenschließen.

So geschah es auch. Im August 1939 wandte sich die sowjetische Führung nach erfolglosen Versuchen, ein Abkommen mit den westlichen Demokratien abzuschließen, an das Dritte Reich mit einem Vorschlag über Verhandlungen.

Am 23. August kam Ribbentrop nach Moskau über Königsberg (sein Flugzeug wurde versehentlich bei Welikije Luki beschossen) und begab sich sofort in den Kreml. Laut Hitlers Anweisung sollte man schnellstmöglich einen Vertrag mit der Sowjetunion schließen, weshalb der Reichsminister alle wichtigsten sowjetischen Forderungen annahm. In derselben Nacht unterzeichneten Ribbentrop und der damalige sowjetische Außenminister Wjatscheslaw Molotow in Anwesenheit von Josef Stalin einen Nichtangriffsvertrag zwischen Deutschland und der Sowjetunion sowie ein geheimes Zusatzprotokoll, das zwischen den Ländern Einflusssphären in Osteuropa aufteilte. Diese Dokumente werden gemeinhin Molotow-Ribbentrop-Pakt genannt.

Nach dem Abschluss des Vertrages wurde im Kreml eine Feier organisiert, die bis zum Morgen dauerte. Ribbentrop teilte erst am Morgen Hitler den Erfolg seiner Mission mit.

„Das Bankett zu Ehren Ribbentrops dauert an“, erinnerte sich der Assistent Molotows, Walentin Bereschkow, der bei dem Treffen als Dolmetscher arbeitete. „Ein lebhaftes Gespräch bringt Gäste und Gastgeber näher. Als der Reichsminister, der von der Gastfreundlichkeit des Anführers der Völker begeistert war, darüber später Hitler berichtete, sagte er – Stalin und Molotow seien sehr nett. Er habe sich wie unter alten Parteigenossen gefühlt“.

Am Tag nach der Ratifizierung des Vertrages durch den Obersten Rat der Sowjetunion griff Deutschland Polen an.

Ribbentrop schloss sich mit viel Elan der Planung der Kriegsverbrechen an. Am 12. August 1939 fand im Führerzug eine Sitzung statt. Generalmajor Erwin Lahousen erzählte bei den Nürnberger Prozessen: Von Ribbentrop sagte, dass in Polen eine Aufstandsbewegung provoziert werde, damit alle Höfe der Polen und Juden von Flammen erfasst werden. Das sei in gewissem Maße neu gewesen, zuvor habe man die Ausdrücke „Liquidation“ und „Mord“ verwendet.

Am 27. September 1939 – bereits nach dem deutschen Angriff auf Polen und nach Beginn des Zweiten Weltkriegs – kam Ribbentrop erneut nach Moskau. Die neuen Verhandlungen wurden am Morgen des 29. September mit der Unterzeichnung eines deutsch-sowjetischen Vertrags über die Grenze und Freundschaft abgeschlossen.

1940 sicherte Ribbentrop den Behörden Norwegens, Dänemarks, Belgiens, der Niederlande, Luxemburgs, Jugoslawiens und Griechenlands zu, dass sie keine Angst haben sollten, während der deutsche Generalstab Truppen für einen plötzlichen Angriff verlegte.

Ende der 1930er – Anfang der 1940er-Jahre war der Höhepunkt der Karriere Ribbentrops. Als ideologischer Gegner des Kommunismus schloss er den Anschluss der Sowjetunion an die Achsenmächte nicht aus. Nach seiner Meinung entsprach das den deutschen Interessen. Doch die Sowjetunion stellte 1940 Forderungen, die dem Dritten Reich nicht passten, auch bereitete sich Hitler schon auf den Krieg vor.

Ohne Kriegserklärung

Laut Historikern bekam Ribbentrop Ende April 1941 Einsicht in das Unternehmen Barbarossa, das einen heimtückischen Angriff auf die Sowjetunion und einen siegreichen Krieg innerhalb weniger Monate vorsah. Dem Minister gefiel der Plan nicht – das war eine Untergrabung des Pakts und der Ostpolitik im Ganzen. Doch einige Experten meinen, dass er von den aggressiven Plänen Deutschlands bereits im August 1940 wusste. Jedenfalls spielte der Außenminister eine Rolle dabei, dass Finnland, Ungarn, Rumänien und Bulgarien auf der deutschen Seite in den Krieg eintraten.

„Ich erinnere mich an… Ribbentrop, der in der Nacht zum 22. Juni 1941 dem sowjetischen Botschafter in Deutschland, Dekanosow, den ich begleitete, von einem Krieg mitteilte“, schreibt Bereschkow in dem Buch „Wie ich Stalins Dolmetscher wurde“. „Der Reichsminister hatte vor der Bekanntgabe dieses für das Nazi-Reich tödlichen Schritts einen Schuss Schnaps getrunken, wohl um mutiger zu sein. Oder vielleicht feierte man im Stab Hitlers, von dem Ribbentrop gekommen war, einfach den Beginn des neuen Blitzkriegs. Sein Gesicht war rot gefleckt, die Hände zitterten. Als der Botschafter die Erklärung Ribbentrops darüber, dass die deutschen Truppen vor zwei Stunden die sowjetische Grenze überquerten, hörte, stand er schnell auf und sagte, dass die deutschen Anführer eine verbrecherische Aggression unternehmen, für die sie hart bestraft werden. Dekanosow kehrte Ribbentrop den Rücken zu und begab sich zum Ausgang, ohne sich zu verabschieden. Ich folgte ihm. Da geschah etwas Unerwartetes – Ribbentrop folgte uns und sagte flüsternd, dass er gegen den Beschluss des Führers zum Krieg gegen Russland sei und sogar Hitler diesen Wahnsinn ausreden wollte, doch er wollte nicht hören. Übermitteln Sie nach Moskau, dass ich gegen den Angriff war – das waren die letzten Worte Ribbentrops, als ich mit dem Botschafter schon die Treppe hinab ging. Was bedeutete diese erstaunliche Aussage des Außenministers eines Staates, der gerade einer anderen Macht den Krieg erklärt hatte?“.

Der Dolmetscher des deutschen Außenministeriums Erich Sommer sagte, dass Ribbentrop laut Hitlers Anweisung weder während des Empfangs noch in der Note, die dem ständigen Vertreter der Sowjetunion überreicht worden sei, das Wort „Kriegserklärung“ genutzt habe. Dieser Fakt wurde ein weiterer Beweis für die Heimtücke des Angriffs.

Plünderung und Holocaust

Nach dem 22. Juni 1941 ist die Rolle des Außenministeriums gesunken – die Entscheidungen wurden von Armee und Geheimdiensten getroffen. Die Aufgabe Ribbentrops bestand in der Unterzeichnung der Dokumente mit den Satellitenstaaten Deutschlands.

Der Minister befasste sich mit prosaischen Dingen – z.B. plünderte er besetzte Gebiete aus.

1941 wurde beim Außenministerium ein SS-Sonderbataillon eingerichtet, das von Ribbentrop betreut wurde. Zu den Aufgaben des Bataillons gehörten die Eroberung von kulturellen und historischen Wertgegenständen, Bibliotheken, wissenschaftlichen Unterlagen der Einrichtungen, Archive, die nach Deutschland ausgeführt wurden. Im März 1942 fand in Berlin eine Ausstellung der geraubten Gegenstände statt.

Eine grausame Seite in der Biographie Ribbentrops – seine Beteiligung am Holocaust. Im September 1942 ereilte er einen Befehl, in dem von den deutschen Botschaften in den besetzten bzw. abhängigen Staaten gefordert wurde, die Auslieferung der Juden und Flüchtlinge zu beschleunigen. Im Februar 1943 erklärte Ribbentrop einen Protest gegenüber Benito Mussolini wegen der langsamen Auslieferung der Juden in der italienischen Besatzungszone Frankreichs (der italienische Faschismus war ursprünglich nicht antisemitisch). Am 17. April 1943 sagte der Reichsminister in einer Sitzung zwischen Hitler und dem ungarischen Staatschef Miklos Horti, dass die Juden entweder ausgerottet oder in KZ-Lager gesteckt werden sollen.

Kein Vertrauen mehr

Ribbentrop blieb Hitler bis zum Ende treu. Als deutsche Generäle 1944 eine Verschwörung organisierten und Hitler die Macht entreißen wollten, war Ribbentrop unter den Ersten, die Hitler ihre Unterstützung zusicherten. Doch diese Treue half ihm nicht, das Vertrauen beizubehalten.

Hitler war verärgert, weil die deutschen Diplomaten es nicht geschafft hatten, die Anti-Hitler-Koalition zu spalten und das Land an zwei Fronten kämpfen musste. In seinem politischen Testament vom 29. April 1945 entließ Hitler Ribbentrop. Er sollte durch den Reichskommissar in den Niederlanden, Arthur Seyss-Inquart, abgelöst werden, doch dieser weigerte sich.

Nach dem Krieg verschwand Ribbentrop zunächst aus dem Blickfeld, doch er konnte sich nicht verstecken. Am 14. Juni 1945 wurde er in Hamburg von einer Patrouille der Alliierten festgenommen.

 

Daniil Sidorow