„Ich gebe den Befehl zum Einmarsch und Sie sehen zu, dass Sie die Macht ergreifen“

Ein Telefongespräch kurz vor dem Anschluss Österreichs

Am 11. März 1938, zwei Tage vor der „Wiedervereinigung“ Österreichs und Deutschlands, ließ Hermann Göring den Telefonhörer fast nicht aus den Fingern. Dank der ausgezeichnet organisierten Arbeit der Kanzlei der Luftwaffe kam die Anklage zu Dechiffrierungen von Telefongesprächen des Reichsmarschalls mit seinen Unterstellten und Hitler am Vortag des Anschlusses. Göring persönlich war der zukünftige Statthalter des Dritten Reichs in Österreich, Arthur Seyß-Inquart, unterstellt. Es folgt ein bezeichnender Ausschnitt aus den Verhandlungen.

Göring: Also merken Sie sich bitte Folgendes: Sie begeben sich sofort zusammen mit Generalleutnant Muff zum Bundespräsidenten und sagen ihm, wenn nicht unverzüglich die Bedingungen, Sie kennen sie, angenommen werden, dann werden die Truppen, die sich bereits an der Grenze befinden oder sich ihr nähern, entlang der gesamten Front vorrücken und Österreich wird nicht mehr existieren, wenn die Ihnen bekannten Bedingungen nicht akzeptiert werden! (…) Bitte teilen Sie uns unverzüglich die Position von Miklas* mit. Sagen Sie ihm, dass wir jetzt keine Zeit für Späße haben. (…) Aber jetzt ist die Sache so, dass dann heute Nacht der Einmarsch an allen Stellen Österreichs beginnt. Der Einmarsch wird nur dann aufgehalten und die Truppen an der Grenze stehen bleiben, wenn wir bis 7.30 Uhr die Meldung haben, dass Miklas Ihnen die Bundeskanzlerschaft übertragen hat. (…) und lassen Sie dann im ganzen Lande die Nationalsozialisten einberufen. Sie dürfen jetzt überall auf die Straßen gehen. (…) Wenn Miklas das nicht in vier Stunden versteht, muss er es jetzt eben in vier Minuten verstehen. (…) Gehen Sie nochmal 'rauf und sagen Sie ihm ganz glatt, dass S. I. ,– Seyß-Inquart – ʻ die nationalsozialistische Wache rufen wird, und die Truppen jetzt in fünf Minuten von mir den Befehl zum Einmarsch bekommen. (…) Wenn dies nicht möglich ist, dann müssen Sie die Macht ergreifen. Gut?

Seyß-Inquart: Ja, und wenn er Drohung ausspricht?

Göring: Ja.

Seyß-Inquart: Ah! Alles klar. Wir werden bereit sein.

Göring: Gut, ich gebe den Befehl zum Einmarsch und dann sehen Sie zu, dass Sie an die Macht kommen. Machen Sie die Leute von der Führung auf Folgendes aufmerksam, was ich Ihnen jetzt sage. Jeder, der Widerstand leistet oder Widerstand organisiert, wird augenblicklich vor unser Standgericht gebracht, das Standgericht der einmarschierenden Truppen. Ist das klar?

Seyß-Inquart: Ja.

Göring: Einschließlich führender Persönlichkeiten, ganz gleich.

Seyß-Inquart: Ja, die haben ja den Befehl erteilt, keinen Widerstand zu leisten.

Göring: Gut, also Sie haben dafür den offiziellen Auftrag.

Seyß-Inquart: Ja.

Göring: Also alles Gute, Heil Hitler!“

 

Quelle: Stenogramm des Nürnberger Prozesses. 29. November 1945. Anklagebeweis PS-2949.

 

* Wilhelm Miklas war von 1928 bis zum 13. März 1938 der Präsident der Republik Österreich. Nachdem der von Hitler ernannte Kanzler Seyß-Inquart die Leitung Österreichs übernommen hatte (im Weiteren unterzeichnete er das Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich), wurde der ehemalige Präsident unter Hausarrest gestellt. Vor einer weiteren Vergeltung wurde er vom SS-Oberst Otto Skorzeny gerettet.