Kommission zur Untersuchung der Nazi-Gräueltaten

In der schwersten Periode der deutschen Besatzung bildete die Sowjetunion eine Kommission zur Untersuchung der Nazi-Gräueltaten.

Während der Nürnberger Prozesse erfuhr die ganze Welt von den Verbrechen der Faschisten in den durch sie besetzten Gebieten. Doch Millionen Sowjetbürger in Moskau, im Wolga-Gebiet, im Ural, in Sibirien, im Kaukasus kannten die Wahrheit über die Verbrechen schon früher. Darüber, was die Rote Armee bei der Befreiung des Landes sah, wurde auf Kundgebungen, in der Presse, im Radio, in Kinonachrichten berichtet. Die Informationsgrundlage bildeten Materialien der Außerordentlichen Staatskommission zur Feststellung und Untersuchung der Untaten der deutsch-faschistischen Eroberer. Danach wurde ein Teil dieser Materialien von der Anklage während des Gerichtsprozesses in Nürnberg genutzt.

Vom Kreml bis zu entfernten Regionen

Obwohl sehr viele Materialien der Kommission offengelegt wurden, wurde bislang keine vollwertige Geschichte der Kommission geschrieben. Wir kennen nur eine offizielle Seite des Falls, nüchterne Zahlen des Schadens, Bilder der Gräueltaten und Grausamkeiten der Besatzer. Davon, unter welchen Bedingungen die Ermittlungen geführt wurden, welche Eindrücke und Erinnerungen die Mitglieder der Kommission hatten, ist wenig bekannt.

Die wichtigsten Fakten:

Die Kommission wurde am 2. November 1942 auf Erlass des Präsidiums des Obersten Rats der Sowjetunion ins Leben gerufen. Das war eine schwere Periode des Krieges – Leningrad stand unter Blockade, der Feind war an der Wolga, die Gegenoffensive bei Stalingrad wird erst vorbereitet, große Teile des Landes waren besetzt, es wurden nur zwei Dutzend kleine Städte befreit. Doch die sowjetische Regierung und die Bürger hatten keine Zweifel – ein Gerichtsprozess gegen die Okkupanten wird früher oder später stattfinden.

Aus dem Erlass über die Gründung der Außerordentlichen Staatskommission vom 2. November 1942:

„Für alle … grausame Verbrechen, die durch deutsch-faschistische Eroberer und ihre Komplizen verübt werden, für den gesamten materiellen Schaden, der von ihnen zugefügt wurde … tragen die verbrecherische Hitler-Regierung, das Kommando der deutschen Armee und ihre Komplizen die volle strafrechtliche und materielle Verantwortung“.

Die Leitung der Kommission übernahm Gewerkschaftsführer Nikolai Schwernik, der ab März 1946 formell Staatsoberhaupt der Sowjetunion war. Der Kommission gehörte auch ein anderer enger Mitstreiter Stalins an – der Sekretär des Politbüros des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion Andrej Schdanow. Andere Mitglieder der Kommission waren Gesellschaftsvertreter. Sechs von ihnen waren Mitglieder der  Akademie der Wissenschaften:

  • der Neurochirurg Nikolai Burdenko (Gründer des renommierten Wissenschafts- und Forschungsinstituts);
  • der Agrarwissenschaftler Trofim Lyssenko (der „Vater“ der berüchtigten Mitschurin-Agrobiologie);
  • der Historiker Jewgeni Tarle (Autor klassischer Bücher über Napoleon);
  • der Schriftsteller Alexej Tolstoi;
  • der Jurist Ilja Trainin (Direktor des Instituts für Recht der Akademie der Wissenschaften der Sowjetunion).

Mitglieder des Ermittlungsorgans waren auch die Fliegerin Walentina Grisodubowa, die erste weibliche Heldin der Sowjetunion, und der renommierte orthodoxe Metropolit Nilkolai (Jaruschewitsch). Das Treffen Stalins mit den Kirchenvertretern der Russisch-Orthodoxen Kirche, welches das Verhältnis mit der Sowjetmacht änderte, fand übrigens erst ein Jahr später statt.

Vor der Außerordentlichen Staatskommission stand die Aufgabe, die dokumentarischen Belege der Untaten der Nazi-Verbrecher und materiellen Schäden, die den Sowjetbürgern und dem Staat zugefügt wurden, zusammenzutragen Die Kommission durfte bei den zuständigen Organen Untersuchungen, Befragungen von Betroffenen, Sammeln von Zeugenangaben und andere Dokumente über die Verbrechen der Besatzer in Auftrag geben. Die örtlichen Machtorgane waren dazu verpflichtet, der Kommission in jeglicher Hinsicht Unterstützung zu leisten.

Am 3. April 1943 wurden die Zusammensetzung der Kommission aus 116 Personen (Sekretäre, Juristen, Parteimitarbeiter) und der Kostenanschlag für ihre Arbeit in Höhe von 2.669.000 Rubel gebilligt. Die Kommission traf sich am 15. März 1943 zu ihrer ersten Sitzung. Ab dem 16. März 1943 bildeten sich in den Republiken und Gebieten lokale Kommissionen zur Untersuchung der Verbrechen der deutsch-faschistischen Eroberer. Zu Beginn des Jahres 1944 waren 19 dieser Kommissionen tätig. Neben regionalen Kommissionen gab es auch lokale Kommissionen. Im Ganzen beteiligten sich an der Arbeit aller Kommissionen mehr als sieben Millionen Menschen – Arbeiter, Kolchosmitglieder, Ingenieure, Techniker, Vertreter von Wissenschaft und Kultur sowie Kirchenvertreter.

Schriftsteller und Metropolit

Die Ermittlungen begannen unmittelbar nach der Befreiung der besetzten Gebiete – zunächst im Gebiet Moskau, im zentralen und südlichen Teil Russlands, danach im Nordkaukasus. Dort, wo die Arbeit der lokalen Machtorgane noch nicht wiederbegonnen hatte, wurden die Ermittlungen vom Kommando der Roten Armee unter Teilnahme von Militärärzten (zum Beispiel in der Karelo-Finnischen Sowjetrepublik) und manchmal auch Kämpfern von Partisaneneinheiten (wie auf der Krim) geführt. Die Akten mussten gemäß den ausführlichen Anweisungen der Außerordentlichen Staatskommission erstellt werden.

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Grundlage für die Arbeit der Kommission waren Aussagen von Bürgern, Befragungen von Betroffenen, Zeugen, medizinische Befunde und Besichtigungen der Tatorte. Es mussten die Verantwortlichen für Verbrechen festgestellt werden – die Namen der Drahtzieher, Anstifter, Vollstrecker und Handlanger, die Namen der Militäreinheiten, Einrichtungen und Organisationen. Zur Beschreibung der Untaten war ein äußerst präzises Herangehen notwendig – es wurden der Name und der Wohnort der Bürger angegeben, die den Fakt des Verbrechens bestätigten. Zu den Akten sollten Dokumente hinzugefügt werden – Protokolle von Befragungen, Erklärungen von Staatsbürgern, Befunde von medizinischen Experten, Fotos, Briefe von Zivilisten, die nach Deutschland verschleppt wurden, deutsche Unterlagen u.a. Alle Akten sollten am Ort der Verbrechen innerhalb eines Monats nach ihrer Befreiung erstellt werden.

Um bei der Aufnahme und Kontrolle der Arbeit der örtlichen Kommissionen zu helfen, reisten in die befreiten Gebiete die Mitglieder der Hauptkommission und Mitarbeiter des Sekretariats. So besuchte Alexej Tolstoi die befreite Region Stawropol, wo in der Nähe der Stadt Mineralnyje Wody im Juli 1943 bei Ausgrabungen eines Panzerabwehrgrabens die Leichen von 6300 gefolterten sowjetischen Bürgern entdeckt wurden.

Die Mitglieder der Kommission befassten sich auch mit Propaganda-Arbeit und manchmal sogar mit Predigten. Metropolit Nikolai (Jaruschewitsch) trat im Mai 1943 vor den Teilnehmern der 3. Allslawischen Kundgebung in Moskau auf – zuvor war er in den kürzlich befreiten Städten Gschatsk, Wjasma, Sytschewka und Rschew gewesen. Er berichtete den Versammelten über ausgeplünderte Kirchen, Folterungen und Erschießungen der Priester. Anschließend segnete er den Kampf gegen die Eroberer.

Das Kommissionsmitglied Sergej Kusjmin, das an der Untersuchung zum KZ-Auschwitz beteiligt war, schloss sich später der sowjetischen Delegation bei den Nürnberger Prozessen an.

Gerichtsprozesse beginnen

Dank der Materialien der Außerordentlichen Staatskommission fanden bereits 1943 Gerichtsprozesse gegen Kriegsverbrechen in Krasnodar und Charkow, 1945 und 1946 in Kiew, Minsk, Riga, Leningrad, Smolensk, Brjansk, Welikije Luki und anderen Städten statt. Eine besondere Rolle spielte der zweite Charkower Prozess, der gezeigt hatte, dass die Erklärungen der Alliierten über die Bestrafung der Kriegsverbrechen keine leeren Worte waren. Gerade in Charkow wurden erstmals Deutsche und nicht nur Kollaborateure verurteilt. Es wurde auch verkündet, dass der Hinweis auf den Befehl eines Vorgesetzten nicht von der Verantwortung für Kriegsverbrechen befreie.

Ilja Erenburg, aus dem Essay im Sammelbuch „Krieg“, 1944:

„Wir werden den 15. Dezember im Gedächtnis behalten – an diesem Tag sprachen wir nicht mehr über den bevorstehenden Prozess zu den Verbrechen, sondern begannen mit dem Prozess… Der Gerichtsprozess erfolgt in einem verletzten, gekränkten Charkow. Hier schreien auch die Steine von Verbrechen… Mehr als 30.000 Charkower sind ums Leben gekommen, von den Deutschen gequält… Heute ist der erste Tag des Charkower Prozesses. Vor uns stehen nicht die Soldaten, sondern die Henker. SS-Militärs, Chefs der Gegenaufklärung, Polizeibeamte. Sie werden offen, nach den Gesetzen der Sowjetischen Republik verurteilt. Sie können sich verteidigen. Jedes Wort wird aus dem Deutschen ins Russische oder aus dem Russischen ins Deutsche gedolmetscht… Die Untaten der Angeklagten sind keine Pathologie von drei Sadisten, keine Willkür von drei Bastarden. Das ist die Erfüllung des deutschen Plans zur Ausrottung und Versklavung der Völker“.

„Der Prozess lässt keine Zweifel an der Absicht der sowjetischen Behörden, die deutsche Regierung und das Oberste Kommando wegen Verbrechen und Grausamkeiten, die in ihrem Namen und auf ihren Befehl begangen wurden, zur Verantwortung zu ziehen“, betonte der damalige US-Botschafter in der Sowjetunion, Averell Harriman, in einem Bericht an das US-Außenministerium. Ihm zufolge waren die US-Korrespondenten, die den Charkower Prozess vor Ort verfolgten, von der Schuld der Angeklagten, der Begründetheit der Anklage überzeugt und betonten, dass das Gericht die rechtlichen Normen strikt befolgte.

Der Ausgang des Charkower Gerichtsprozesses bildete die Grundlage für den ersten Film von den Verbrechen der Nazis in den besetzten Gebieten. Einige dieser Filme werden später in Nürnberg gezeigt. Sie wurden auch bei Filmvorführungen in der Sowjetunion gezeigt.

40 000 Verbrecher

Zu einem ähnlichen Gremium bei den Alliierten wurde die UN-Kommission für Ermittlung der Kriegsverbrechen (später wurde sie in UN-Kommission für Kriegsverbrechen – United Nations War Crimes Commission, UNWCC – umbenannt). Sie wurde bei einem Treffen im britischen Außenministerium am 20. Oktober 1943 gegründet – also noch vor der offiziellen Gründung der Vereinten Nationen. Die erste Sitzung der Kommission, an der Vertreter von 17 Ländern teilnahmen, fand am 18. Januar 1944 statt.

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Die Kommission ermittelte und registrierte Beweise für Kriegsverbrechen, stellte (falls das möglich war) die Verantwortlichen fest und informierte die Regierungen verschiedener Länder über Fälle, wenn sich angemessene Beweise erwarten ließen. Aber die Mitglieder der Kommission reisten nicht zu den Orten, an denen Verbrechen begangen worden waren – alle entsprechenden Beweise erhielten sie von den Ermittlungsgremien der jeweiligen Länder, und dann entschieden sie, ob diese Beweise ausreichend waren, um die Schuld dieser oder jener Personen festzustellen, so dass sie auf die Kriegsverbrecherliste gesetzt werden könnten.

Zum wichtigsten Ergebnis der Arbeit der Kommission wurde die Erstellung der Liste der Kriegsverbrecher der Länder der „Achse“. Im Oktober 1945 standen etwa 7000 Namen auf der Liste, insbesondere etwa 1000 Hitler-Militärs. Bis 1948, als die Kommission ihre Arbeit beendete, wurden 80 Listen erstellt, auf denen 40 000 deutsche, italienische, albanische, bulgarische, ungarische und rumänische Kriegsverbrecher standen. Zudem gab es 26 Listen, die von der Unterkommission für den Fernen Osten und den Pazifik erarbeitet wurden. Manche Informationen wurden später im Laufe der Nürnberger Prozesse verwendet, aber in der Gesamtmenge der Beweise, die dabei präsentiert wurden, spielten sie keine entscheidende Rolle.

250 000 Augenzeugen

Die von der Kommission gesammelten Informationen haben eine riesige Bedeutung, um den Umfang und Charakter der von den Nazis auf dem sowjetischen Territorium begangenen Verbrechen zu verstehen. Allerdings verweisen manche Historiker auf einige Mängel der Ermittlung.

So füllten Mitglieder von regionalen Kommissionen die Unterlagen mit Fehlern aus, indem sie die Anforderungen nicht erfüllten. Oft wurden die Ermittlungen schlecht organisiert und blieben deshalb mangelhaft. Das ließ sich teilweise auf den Personalmangel zurückführen, was unter den Kriegsbedingungen im Grunde nachvollziehbar war.

„Oft beteiligen sich an solchen Kommissionen schlecht ausgebildete Menschen, die die zugefügten Schäden nicht richtig einschätzen geschweige denn die aktuellen Zahlen mit den Zahlen aus der Vorkriegszeit vergleichen konnten“, sagte der russische Historiker Alexander Gaidaschew, der die Unterlagen der Stalingrader Kommission analysierte.

Dem deutschen Historiker Dieter Pohl zufolge ist es unmöglich, den Einfluss regionaler kommunistischer Organisationen und der Sicherheitsdienste auf die Ermittlungsergebnisse eindeutig zu bewerten, die mit der Staatskommission eng kooperierten. Nach seinen Worten sind manche allgemeine Einschätzungen der Verluste und der im Grunde klar vorbestimmte Verlauf der Ermittlung auffallend.

Die Opferzahl unter friedlichen Einwohnern war manchmal viel zu verallgemeinert, und zwar wegen Informationsmangels: Manchmal wurden die Zahlen übertrieben, manchmal aber enorm verkleinert, damit sie im Allgemeinen den Worten Josef Stalins entsprechen würden, es wären sieben Millionen Sowjetmenschen gestorben.  Darauf verwies der israelische Historiker Kyrill Feferman am Beispiel der Ukrainischen Sowjetrepublik.

Aber selbst Skeptiker betonen, die große Menge faktischer Beweise und bestätigter Zeugenaussagen über die Verbrechen der Nazis spreche für sich:

„Die Materialien der Kommission sind ziemlich präzise, wenn es um einzelne Ereignisse und Opfergruppen geht… Ein Vorzug  der Informationen, die die Außerordentliche Staatskommission gesammelt hat, waren die zahlreichen Zeugenaussagen“, sagt der dänische Forscher Nils Bo Poulsen, der im Allgemeinen die Arbeit der Kommission eher kritisch einschätzt.

Nach seinen Worten steht die Glaubwürdigkeit vieler (vielleicht sogar der meisten) Angaben der Kommission außer Zweifel.

Kommentare von Experten

Alexander Jepifanow

Dr. der Juristischen Wissenschaften, Professor der Verwaltungshochschule von Wolgograd (Filiale der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Öffentlichen Dienst beim Präsidenten)

Erfahrungen der sowjetischen Kommission waren im Ausland gefragt

Nach dem Krieg wandte sich die französische Botschaft an das auswärtige Volkskommissariat der Sowjetunion mit der Bitte, den französischen Behörden für Wiederaufbau der Städte Materialien zu den Regeln für die Einschätzung der im Krieg zerstörten bzw. beschädigten Bauten zur Verfügung zu stellen, insbesondere für die Einschätzung des Zerstörungsgrades. Darauf wurden nach Frankreich entsprechende Hinweise der Außerordentlichen Staatskommission geschickt. Am 18. Juli 1945 wandte sich auch das Außenministerium Jugoslawiens an den sowjetischen Botschafter mit der Bitte, der jugoslawischen Kommission für die Bewertung der durch den Krieg zugefügten Schäden die Bestimmung über die Außerordentliche Staatskommission samt Dokumenten über ihre Arbeit zur Verfügung zu stellen.

Für die Ermittlung der Umstände der Vernichtung von 67 000 sowjetischen Kriegsgefangenen durch Nazis in Ostrow Mazowiecka (Polen) wurde im Juni 1947 eine sowjetisch-polnische Kommission gebildet. Von der sowjetischen Seite beteiligten sich daran der Abteilungsleiter der Außerordentlichen Kommission, Dmitri Kudrjawzew, der Vertreter der Außerordentlichen Kommission R.M. Nikitin, der Oberste Gerichtsmediziner des sowjetischen Ministeriums für Streitkräfte, Professor Michail Awdejew.  Von der polnischen Seite waren das der Vorsitzende der Regierungskommission für Ermittlung der deutschen Gräueltaten, der stellvertretende Justizminister Leon Hein, und mehrere Mitglieder dieser Kommission.

Die Alliierten waren miteinander durch Abkommen über gegenseitige Auslieferung von Kriegsverbrechern verbunden. Deshalb war ein wichtiger Aspekt der Arbeit der Außerordentlichen Kommission, nazistische Verbrecher ausfindig zu machen und zur Verantwortung zu ziehen, die sich im Ausland aufhielten. Am 8. Februar 1946 erhielt der Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten, Wjatscheslaw Molotow, die Mitteilung, dass die Außerordentliche Kommission eine Ermittlung im früheren KZ Sachsenhausen durchgeführt habe und die Frage eines entsprechenden Gerichtsprozesses aufwerfe. Es wurde betont, dass der frühere Kommandant des KZ, Hans Loritz, von den britischen Behörden gefasst worden sei, so dass seine Auslieferung beantragt werden sollte. Die Kommission schlug vor, sie und die sowjetische Staatsanwaltschaft mit der Organisation des „Hauptgerichts“ gegen die Verbrecher in Sachsenhausen zu beauftragen. Am Ende fand der entsprechende Gerichtsprozess vom 23. Oktober bis 1. November 1947 in Berlin statt.

Von den 30 Augenzeugen, die von der Kommission des Politbüros für die Teilnahme an den Nürnberger Prozessen bestimmt wurden, hat die Außerordentliche Staatskommission unter Berücksichtigung der Meinung leitender Beamter der Geheimdienste und der Staatsanwälte verschiedener Gebiete 14 ausgewählt. Dabei wurden diese Personen gründlich vorbereitet auf den Prozess, wobei sie sich vor allem mit den Unterlagen bekannt machten, die ihnen die Außerordentliche Kommission zur Verfügung stellte.

Dmitri Astaschkin

Kandidat der Geschichtswissenschaften, Mitarbeiter des St. Petersburger historischen Instituts bei der Russischen Akademie der Wissenschaften

Unterlagen der Außerordentlichen Staatskommission wurden bei offenen Gerichten in der Sowjetunion unbedingt verwendet

Auf Verfügung des Volkskommissars für Inneres, Sergej Kruglow, des stellvertretenden Volkskommissars für Staatssicherheit, Bogdan Kobulow, und des SMERSch-Chefs Viktor Abakumow waren die operativen Ermittlungsgruppen verpflichtet, die Informationen der Außerordentlichen Kommission zu verwenden.

Mit den Unterlagen der Außerordentlichen Kommission arbeiteten nicht nur Ermittler, sondern auch Vertreter der Staatsanwaltschaft. Mitarbeiter der Außerordentlichen Staatskommission halten Mitarbeitern der Staatsanwaltschaft dazu an, sich in den Unterlagen richtig zu orientieren, und erstellten Anklagematerialien (als „Spezialisten für Hitler-Gräueltaten“).

Einen besonderen Beitrag leistete die Außerordentliche Staatskommission zu den offenen Prozessen im Jahr 1947. Der Vizechef der Hauptverwaltung für die Angelegenheiten der Kriegsgefangenen beim Innenministerium, Amajak Kobulow, und der verantwortliche Sekretär der Außerordentlichen Staatskommission, Pawel Bogojawlenski, einigten sich auf das unverzügliche Sammeln von Unterlagen unter Berücksichtigung der Erfahrungen der Gerichte in den Jahren 1945 und 1946.

Im Laufe der vorläufigen und der Gerichtsuntersuchung wurden mehr als 1000 Dokumente der Außerordentlichen Staatskommission verwendet. Die Untersuchungsgremien verhörten mehr als 2000 Augenzeugen, insbesondere deutsche Kriegsgefangene.

Ende der 1940er-Jahre zählte die Datenbank der Außerordentlichen Staatskommission 17 146 Kriegsverbrecher:

  • 14 677 Deutsche
  • 1816 Rumänen
  • 274 Ungarn
  • 365 Finnen
  • 14 Italiener.

Die spätesten Informationen der Außerordentlichen Staatskommission enthielten Angaben zu 30 663 Verbrechern, von denen allein dank Angaben repatriierter Bürger 13 517 Personen entdeckt wurden.

Oft konnten die Angeklagten nur dank den Unterlagen der Außerordentlichen Kommission überführt werden. So stand der frühere Leiter der Gendarmerie von Sewastopol, Oberleutnant Ernst Schrewe, nicht auf der Angeklagtenliste, die vom 12. bis 23. November 1947 in Sewastopol erstellt worden war. Zum ersten Beweis seiner Schuld wurde die Auskunft der Außerordentlichen Staatskommission, und am Ende musste er auf der Anklagebank Platz nehmen. Auf Vorschlag des Leiters der operativen Ermittlungsgruppe schrieb ein Vertreter der Außerordentlichen Kommission sogar einen Entwurf des Einführungsteils der Anklageschrift des Sewastopoler Prozesses.

Vertreter der Außerordentlichen Staatskommission bereiteten nicht nur Unterlagen für Prozesse vor, sondern beteiligten sich auch daran. Außerdem befassten sie sich mit propagandistischen Aufgaben: Sie erstellten Fotovitrinen und -alben, traten mit Interviews in Zeitungen und im Radio auf.