Wie die Nazis die Medien in Deutschland unterjochten
Das Dritte Reich hat eine universale Medien-Maschinerie geschaffen, die über die Köpfe der Menschen verwaltete. Eine ihrer Stützen war die rein physische Unterdrückung jedes Andersdenkens. Alle Medien im Dritten Reich wurden von oben verwaltet. Wer mit der Staatsführung nicht einverstanden war, wurde niedergeschlagen. Zeitungsredakteure mussten damit rechnen, in Konzentrationslager gesteckt zu werden. Trotz des Drucks, dem sie schon in der Weimarer Republik ausgesetzt waren, blieben die deutschen Medien bis in die 1930er Jahre hinein „farbenfreudig“ und vielfältig. Der Weg zur dürren, langweiligen und auf Bedienung der nazistischen Machtspitze orientierten Presse dauerte nur sechs Jahre. Wie die deutschen Medien in der Nazi-Zeit funktionierten, lesen Sie in diesem Beitrag im Rahmen des Sonderprojekts „Nürnberg. Casus Pacis“.
Weimarer Republik: 300 Zeitungen weniger
Bereits in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen hatte die deutsche Macht in den Medien eine Gefahr gesehen. In der Verfassung der Weimarer Republik aus dem Jahr 1919 wurde zum ersten Mal die Freiheit der Person und des Briefwechsels sowie die Meinungsfreiheit verankert. Gleichzeitig wurde die Zensur abgeschafft. Aber schon 1920 mussten viele Zeitungen wegen der Wirtschaftskrise schließen. Die Regierung subventionierte die Medien, allerdings je nach deren Unterstützung des offiziellen politischen Kurses.
Nur drei Jahre später wurde das Republikschutzgesetz verabschiedet, das den Artikel 118 der Verfassung abschaffte, der dem Thema Meinungsfreiheit gewidmet war. In den nächsten zehn Jahren wurden in Deutschland im Sinne dieses Gesetzes Tausende Gerichtsprozesse gegen verschiedene Medien eingeleitet, die mit Geldstrafen belegt oder geschlossen wurden und deren Reporter massenweise hinter Gittern geworfen wurden. Bis 1932 wurden insgesamt mehr als 300 Medien geschlossen und verboten.
Wegen des verlorenen Ersten Weltkriegs, der Wirtschaftskrise und der generell depressiven Stimmungen gewannen nationalistische Bewegungen allmählich an Popularität. Vor allem sind in diesem Kontext die NSDAP-Zeitung „Völkischer Beobachter“ und die 1927 von Joseph Goebbels gegründete Zeitschrift „Der Angriff“ erwähnenswert. Besonders radikal war die Zeitung „Der Stürmer“, die vom überzeugten Antisemiten Julius Streicher herausgegeben wurde, der später Gauleiter des Frankenlandes wurde. „Der Stürmer“ warf allen Juden alle möglichen Verbrechen vor, veröffentlichte sogar Beschwerden von Patienten psychiatrischer Kliniken sowie pornografische Karikaturen von „Nichtariern“.
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Gleichzeitig wurden Medien massenweise von Großindustriellen gekauft. Gerade in dieser Zeit wurde der Hugenberg-Konzern gegründet, dessen Medien zu einer der wichtigsten Stützen des Nationalsozialismus wurden. Binnen von zehn Jahren wurde Alfred Hugenberg Besitzer von etlichen Berliner Zeitungen, indem er den Scherl-Verlag schluckte. Außerdem gehörten ihm viele regionale Zeitungen, Werbezeitungen, die Nachrichtenagentur T.U. und das Filmstudio UFA. Mit solchen wirtschaftlichen und Informations-„Hebeln“ spielte Hugenberg eine wichtige Rolle für die Machtübernahme durch Adolf Hitler.
Im Juli 1931 wurde in Deutschland der Ausnahmezustand ausgerufen. Dadurch bekamen die Machthaber die Möglichkeit, die oppositionellen Medien quasi zu vernichten und den nazistischen Medien „grünes Licht“ zu geben. Nichtnazistische Zeitungen wurden massenweise geschlossen: „Volksstimme“, „Volksfreund“, „Volksblatt“, „Volkswacht“ usw. Die Sozialdemokraten veröffentlichten ein Memorandum über terroristische Handlungen der NSDAP-Mitglieder. Darin wurden etliche Gewaltaktionen gegen Journalisten beschrieben, die mit den nazistischen Ideen nicht einverstanden waren – und das hatte schlimme Folgen für 14 Redaktionen, elf Reporter und Zeitungsverkäufer.
Nach Hitlers Machtübernahme: Sieben Verfassungsartikel weniger
Am 30. Januar 1933 gab der Reichspräsident Paul von Hindenburg dem massiven Druck seitens der Großindustriellen nach und ernannte Hitler zum Reichskanzler. Ab jetzt entwickelte sich die Situation rasant: Am 4. Februar veröffentlichte er die Verordnung „Zum Schutze des deutschen Volkes“, die die Meinungs- und Versammlungsfreiheit beschränkte. Am 28. Februar segnete der Reichspräsident den Erlass „Zum Schutz von Volk und Staat“ ab. Zum Ziel wurde der Kampf gegen die Kommunisten ausgerufen, die man für den Brand im Reichstag schuldig machte, aber im Grunde ging es dabei um etwas mehr. Der erste Teil des Erlasses schaffte insgesamt sieben Verfassungsartikel ab und beschränkte die persönlichen Rechte und Freiheiten der Bürger, die Meinungs- und Pressefreiheit sowie die Versammlungsfreiheit. Darüber hinaus war es ab sofort erlaubt, den Briefwechsel zu kontrollieren und Telefonate abzuhören.
Am 13. März wurde das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) mit Joseph Goebbels an der Spitze gegründet. Zum RMVP-Staatssekretär wurde der ehemalige Chefredakteur der einflussreichen „Berliner Börsen-Zeitung“, Walther Funk, ernannt. Jetzt sollte die Presse die Leser nicht nur informieren, sondern auch anweisen, was sie zu tun hatten. Goebbels zufolge sollte die Presse zu einer Art „Musikinstrument“ in den Händen der Regierung werden, das das Bewusstsein der Bürger prägen sollte.
Heutzutage würde man Goebbels einen begabten PR-Experten nennen. Er konnte sich in der Journalistik lange nicht finden, ehe er sich 1925 den Nazis anschloss. Indem er seine Fähigkeiten Hitler und der NSDAP zur Verfügung stellte, etablierte er sich als „Sprachrohr“ des Nationalsozialismus. Bald nach der Gründung des neuen Ministeriums erklärte er:
„Das Propagandaministerium ist keine administrative Anstalt. Das ist ein Ministerium für das Volk, und das Volk wird immer den Zugang dazu haben. In diesem Haus wird es nie den Begriff Bürokratie geben. (…) Man kann den Gegner aus Maschinenpistolen mit Feuer begießen, solange er die Überlegenheit der MP-Schützen nicht anerkennt. Aber man kann auch eine Nation durch eine geistige Revolution verändern und den Gegner dadurch nicht vernichten, aber auf seine Seite ziehen. Wir Nationalsozialisten haben den zweiten Weg eingeschlagen und werden ihn auch weiter gehen.“
Blütezeit des Dritten Reiches: 2300 Zeitungen unter Kontrolle
Dem Propagandaministerium wurden alle Einrichtungen untergeordnet, die mit dem deutschen Nachrichtenmarkt verbunden waren. „In der ganzen Zeit zwischen 1933 und 1945 war die Aufgabe der deutschen Presse (der IV. Abteilung des Propagandaministeriums), die ganze inländische Presse zu beobachten und ihr Hinweise zu geben, und dadurch wurde diese Abteilung zu einer effizienten Waffe in den Händen der Staatsführung“, sagte der deutsche Radiomoderator und Propagandist Hans Fritzsche vor dem Nürnberger Tribunal aus, der von 1938 bis 1942 an der Spitze der IV. Abteilung gestanden hatte. Nach seinen Worten hatte er damals mehr als 2300 deutsche Tageszeitungen unter seiner Kontrolle gehabt.
„Das Ziel dieser Beobachtung bzw. Kontrolle in den ersten Jahren nach 1933 bestand darin, die Bedingungen, die es in der Presse vor der Machtübernahme gegeben hatte, grundsätzlich zu verändern“, betonte Fritzsche. „Das bedeutete die Koordinierung und die Aufnahme aller Zeitungen und Zeitschriften in die neue Ordnung, die private kapitalistische Interessen oder die Parteipolitik bedient hatten. (…) Der Leiter der Abteilung der deutschen Presse gab in den Räumlichkeiten des Ministeriums jeden Tag Pressekonferenzen für Vertreter aller deutschen Zeitungen. Damit wurden hier Medienvertretern alle Hinweise gegeben.“
„Die ganze deutsche Presse war bei der Vermittlung der Abteilung der deutschen Presse permanent die Waffe des Propagandaministeriums, und dadurch war die ganze deutsche Presse den politischen Zielen der Regierung untergeordnet“, zitierte der amerikanische Ankläger Drexel Sprecher Fritzsches Aussagen auf dem Nürnberger Prozess, indem er über die persönliche Verantwortung des Angeklagten sprach. Das drückte sich nach seinen Worten durch die Bestimmung des Zeitpunktes für Veröffentlichung dieser oder jener Artikel aus, wobei ein besonderes Augenmerk auf solche Fragen gerichtet wurde, die zum konkreten Zeitpunkt akut waren, zum Beispiel: „Klassenkampf in der Ära des Nationalsozialismus“, „Das Führungsprinzip und der totalitäre Staat“, „Die Partei und die Interessen der Politik in der Ära des Nationalsozialismus“, „Die Judenfrage“, „Verschwörung des internationalen Judentums“, „Die bolschewistische Gefahr“, „Plutokratische Demokratie im Ausland“, „Allgemeine Rasseninteressen“, „Kirche“, „Wirtschaftlicher Verfall im Ausland“, „Außenpolitik und Lebensraum“.
Sprecher zufolge war die Abteilung der deutschen Presse „eine Waffe zwecks Unterordnung der ganzen deutschen Presse den politischen Zielen der Regierung“.
Journalist durfte nicht jeder werden, sondern nur diejenigen, die sich bei der Pressekammer registriert hatten und dort ausgebildet wurden. Im Juli 1933 verloren mehr als 1500 Verleger die Möglichkeit, diese Arbeit zu leisten. Und zwei Jahre später wurden die Anforderungen verschärft: Jeder, der im Bereich Nachrichten arbeiten wollte, war verpflichtet, NSDAP-Mitglied zu werden und den entsprechenden Eid abzulegen.
„Jeden Morgen versammelten sich die Herausgeber der Berliner Zeitungen und Korrespondenten in anderen Städten des Reiches im Propagandaministerium, um Hinweise Herrn Goebbels‘ oder eines seiner Stellvertreter zu hören, welche Nachrichten sie veröffentlichen sollten und welche nicht, wie sie die Informationen darzustellen und zu betiteln hatten, welche Kampagnen zusammen- und welche entfaltet werden sollten, welche Themen an jedem Tag für die Titelseiten besonders akut waren“, schrieb der US-amerikanische Journalist William Shirer in seinem Buch „The Rise and Fall of the Third Reich“, der mehrere Jahre lang im Nazi-Deutschland arbeitete und später den Nürnberger Prozess beleuchtete. „Um jegliche Missverständnisse zu vermeiden, wurden jeden Tag schriftliche Hinweise veröffentlicht und auch mündliche abgegeben. Für kleine Dorfzeitungen wurden die Hinweise per Telegraph oder per Post verschickt.“
Durch das Reichspressegesetz vom 4. Oktober 1933 wurde der Journalist zu einem öffentlichen Beruf. Demnach mussten die Verleger deutsche Bürger sein, eine arische Herkunft haben und nicht mit Juden bzw. Jüdinnen verheiratet sein. Das Kapitel 14 untersagte es den Verlegern, etwas zu veröffentlichen, „was den Leser auf diese oder jene Weise verwirren könnte, egoistische und gesellschaftliche Ziele vermischen würde und zur Schwächung des deutschen Reiches von innen oder von außen, zur Schwächung der Willenskraft des deutschen Volkes und der Verteidigung Deutschlands, seiner Kultur und Wirtschaft führen könnte, wie auch alles, was die Ehre und Würde Deutschlands beleidigen könnte.“
„Wenn ein solches Gesetz vor 1933 verabschiedet worden wäre, würde es das Verbot der Aktivitäten aller nazistischen Verleger und aller nazistischen Bücher und Zeitungen im Land bedeuten“, so William Shirer weiter. „Jetzt führte es aber zur Schließung der Zeitschriften und zur Kündigung der Journalisten, die den Nazis nicht dienen wollten.“
Tausende Journalisten in KZ-Lagern
Der Leiter des zentralen Verlags der NSDAP – des Eher-Verlages - war Max Amann. Während des Ersten Weltkriegs war er als Vizefeldwebel zeitweise Hitlers Vorgesetzter. Er verwandelte sich in den Finanz-Diktator der deutschen Presse, und als Präsident der Reichspressekammer war er berechtigt, jede Zeitung zu verbieten, um sie anschließend zu einem Spottpreis zu erwerben. In kurzer Zeit avancierte Eher zu einem Verlagsimperium. Die Einnahmen Amanns stiegen von 108.000 Mark 1934 auf 3.800.000 Mark im Jahr 1942, wie William Shirer berichtete.
Als die Partei 1933 an die Macht gekommen sei, hielten die Besitzer von vielen Verlagskonzernen wie Ullstein bzw. jene, die von Juden kontrolliert wurden und politischen und religiösen Interessen dienten und der Nazi-Partei nicht gesonnen waren, es für zweckmäßig, ihre Zeitungen bzw. Beteiligungen dem Eher-Verlag zu verkaufen, erzählte Amann vor dem Militärgerichtshof in Nürnberg. Es habe keinen Markt für den Verkauf eines solchen Eigentums gegeben, weshalb der Eher-Verlag in der Regel als einziger Käufer dastand … Das Hauptziel des Nazi-Programms in der Presselandschaft habe darin bestanden, die als Opposition geltende Presse komplett auszuhebeln, so Amann.
Im April 1934 ließ Amann eine Anordnung über die Gleichstellung der Zeitungen herausgeben. Mit diesem Dokument wurde der Markt de facto von der unerwünschten Presse befreit. Das wirkte sich sofort auf die Qualität der Presse aus. 1934 wandten sich Amann und Goebbels an loyale Herausgeber mit der Bitte, die Zeitungen umfangreicher zu gestalten. Der Chefredakteur der Wochenzeitschrift „Die Grüne Post“, Ehm Welke, reagierte erbost – er warf dem Propagandaminister vor, die Pressefreiheit zu beschneiden und die Presse unter Druck zu setzen. Nach diesem Affront wurde die Zeitung für drei Monate gesperrt und der Herausgeber in ein KZ-Lager verbannt.
Der Chefredakteur der Wochenzeitung „Weltbühne“, Carl von Ossietzky, war davor schon ins KZ-Lager gesteckt worden. Der radikale Pazifist wurde am 28. Februar 1933 festgenommen und in das Berliner Gefängnis Spandau und später in die KZ-Lager Sonnenburg und Esterwegen-Papenburg verlegt. 1936 wurde Ossietzky der Friedensnobelpreis verliehen. Die Nazis drängten ihn dazu, auf diese Auszeichnung zu verzichten, doch er weigerte sich. Laut deutscher Propaganda hätte der Nobelpreisträger nach Oslo fahren dürfen, doch ihm wurde kein Reisepass gegeben. In der Presse wurde er als Verräter gebrandmarkt. Den Rest seines Lebens verbrachte Ossietzky unter Aufsicht der Gestapo im Berliner Krankenhaus, wo er am 4. Mai 1938 an Tuberkulose, mit der er sich in Haft ansteckte, starb. Der Chefredakteur des „Berliner Tageblatt“, Theodor Wolff, konnte immerhin noch nach Frankreich fliehen. Nach der Besetzung des Landes durch die Nazis wurde Wolff nach Deutschland ausgeliefert, wo er am 23. September 1943 im Jüdischen Krankenhaus in Berlin starb.
Der künftige erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, Theodor Heuss, rettete sich vor den Nazis, weil er statt scharfer politischer Artikel neutrale biografische und kulturhistorische Essays veröffentlichte.
Insgesamt kamen unter Hitler mindestens 1000 deutsche Journalisten in KZ-Lager, mindestens 300 davon kamen ums Leben. Unter den getöteten Journalisten in den besetzten Ländern ist der Tscheche Julius Fučík, der im Gestapo-Gefängnis das Buch „Reportage unter dem Strang geschrieben“ schrieb.
Insgesamt waren 1935 rund 1500 Zeitungen aufgelöst worden. 1944 gab es nur noch 977 von 4700 Zeitungen und Zeitschriften, die vor der Machtübernahme durch die Nazis existierten, und ihre Auflage sank.
Einige Überlebende
Wegen Anordnung über die Gleichstellung der Zeitungen wurden alle Zeitschriften verboten, die mit christlichen Konfessionen verbunden sind. In erster Linie ging es dabei um katholische Zeitungen, die noch in der Aufklärungszeit gegründet wurden und in den 1930er Jahren auf der Seite der Mitte-Parteien standen.
Fortan durften in der Presse keine Juden und Kommunisten mehr arbeiten. Die Zeitungen durften keine Spenden von industriellen Verbänden annehmen. Darunter litten vor allem linke Zeitungen, doch später waren auch andere politische Lager von Repressalien betroffen.
Am 1. April 1934 wurde als eine der ersten die 1704 gegründete, zur Familie Ullstein gehörende “Vossische Zeitung” verboten. Sie galt als “Bibel” des deutschen Liberalismus. Für diese Zeitung arbeiteten bekannte Publizisten wie Stefan Großmann, Thomas und Heinrich Mann. Die Zeitung musste schließen, nachdem Hermann Ullstein hinter den verschlossenen Türen seines Büros die Schritte einer marschierenden Nazi-Kolonne hörte, die alle Stockwerke durchging und „Juden raus!“ schrie.
Das liberale “Berliner Tageblatt” hielt etwas länger durch – bis 1939, obwohl dessen Eigentümer Hans Lachmann-Mosse auf seinen Anteil bereits im Frühjahr 1933 verzichten musste. Die „Frankfurter Zeitung“ gab es auch noch, nachdem der frühere Besitzer verbannt wurde. Der neue Herausgeber war Rudolf Kircher – ein leidenschaftlicher Anglophiler und Liberaler, der den Nazis ergeben war.
Dass einige liberale Zeitungen blieben, kann mit der Einmischung des Außenministeriums erklärt werden – es wollte ein Schaufenster und Propagandamittel für das Publikum im Ausland haben.
Das Verbot für die oppositionelle Presse führte nicht zu deren Verschwinden. Laut den Traditionen, die es bereits seit den Zeiten des Deutschen Reichs gab, wanderten viele deutsche Redaktionen in die Nachbarländer aus – die Tschechoslowakei, Frankreich sowie Schweden und Großbritannien. Es waren unter anderem die sozialdemokratischen Zeitungen “Vorwärts!”, “Zeitschrift für Sozialismus”, “Sozialistische Tribüne” und kommunistische Zeitungen wie “Die Rote Fahne”, “Deutsche Volkszeitung”.
Das Schicksal einiger Zeitungen, die sich nicht auf die Seite der Machthaber stellen wollten, in Deutschland blieben und sich gegen ihr Verbot wehrten, war dramatisch. So wurde am 10. März 1933 in der Redaktion der sozialdemokratischen “Chemnitzer Volksstimme” von SA-Extremisten der Zeitungseigentümer Georg Landgraf getötet, der sich weigerte, sich ihren Forderungen zu beugen. Nach zwei Wochen schrieb die prokatholische Zeitung „Fränkische Presse“ auf der Titelseite, dass die Nachrichten, Reportagen und Kolumnen, die sie innerhalb vieler Jahre über die NSDAP und insbesondere deren Anführer blockierten, der Wahrheit nicht entsprochen hätten und in der Tat nur dazu gedient hätten, damit die Menschen die Wahrheit nicht sehen und die NSDAP geschwächt wird.
Es gab auch eine Presse im Untergrund. Wie zum Beispiel die Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“, deren Teilnehmer Studenten und Dozenten der Münchener Universität waren. In Deutschland wehrten sie sich gegen die Nazis, indem Flugblätter der Weißen Rose verbreitet wurden. Die Mitglieder der Gruppe - Kurt Huber, Hans und Sophie Scholl, Christoph Probst, Willy Graf und Alexander Schmorell - wurden entlarvt und 1943 hingerichtet. Im heutigen Deutschland werden sie als Nationalhelden geehrt. An der Münchener Universität wurde eine Gedenkstätte eingerichtet.
Verräterisches Pfeifen
Rundfunk und Filmkunst dienten ebenfalls dem Nazi-Staat. 1933 wurde die Nazi-Regierung zum Besitzer der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft. Die Abteilung Rundfunk im Propagandaministerium wurde einige Jahre von Hans Fritzsche geleitet. Die Filmkunst blieb zwar unter Kontrolle von Privatunternehmen, doch das Propagandaministerium und die Reichsrundfunkkammer kontrollierten alle Bereiche der Filmproduktion.
Laut William Shirer wurde in beiden Fällen dasselbe Ergebnis erreicht – dem deutschen Volk wurden Radiosendungen und Filme angeboten, die so inhaltslos und langweilig waren wie die Zeitungen. In den meisten Fällen schauten die Deutschen statt Nazi-Filme die wenigen ausländischen Filme (vor allem zweitrangige Hollywood-Filme), die von Goebbels erlaubt waren.
Mitte der 1930er Jahre wurden viele deutsche Filme im Kino in steter Regelmäßigkeit ausgebuht. Innenminister Wilhelm Frick veröffentlicht eine strikte Warnung gegen „das verräterische Verhalten seitens der Kinozuschauer“. Der Präsident der Reichsrundfunkkammer, Horst Dreßler-Andreß, sagte, dass die Schikanen für die Rundfunksendungen und die „Beleidigung der deutschen Kultur“ nicht geduldet werden dürften.
Doch im Ganzen nahm die deutsche Bevölkerung die Veränderungen in der Presse wohlwollend auf.
„Ich konnte selbst sehen, wie leicht die lügnerische Presse und das Radio den Geist im totalitären Staat beherrscht“, erinnert sich William Shirer. „Im Unterschied zu den meisten Deutschen hatte ich ständigen Zugang zu den ausländischen Zeitungen, besonders Londoner, Pariser und Zürcher Zeitungen, die am nächsten Tag nach der Herausgabe eintrafen, hörte regelmäßig BBC und andere Radiosender.“
Laut Shirer wurde auch er von der Nazi-Propaganda beeinflusst – trotz der Möglichkeit, Informationen aus ausländischen Quellen zu bekommen, und des Misstrauens zu den deutschen Medien.
„Jene, die seit Jahren in einem totalitären Staat lebten, sind einfach nicht imstande, sich vorzustellen, wie schwer es ist, die schrecklichen Folgen einer durchdachten und systematischen Propaganda des herrschenden Regimes zu meiden“, so Shirer. „ Oft hörte ich im Haus eines bekannten Deutschen, im Büro oder bei einem zufälligen Gespräch mit einer unbekannten Person im Restaurant, im Brauhaus oder Café ziemlich seltsame Behauptungen von scheinbar intelligenten Menschen … Manchmal sagte ich ihnen das, doch in solchen Fällen stieß ich auf einen misstrauischen Blick bzw. eine Reaktion, als ob ich mir in ihrer Anwesenheit eine schreckliche Blasphemie erlaubt hätte. Dann begriff ich, wie vergeblich die Versuche sind, Kontakt mit einem Menschen mit gebrochenem Bewusstsein aufzunehmen, für den die Realität nur das war, das ihm Hitler und Goebbels eingeflößt hatten.“
Quellen:
- William Shirer “The Rise and Fall of The Third Reich”
- Drexel A. Sprecher The Individual Responsibility of the Defendant Hans Fritzsche.
- Das Stenogramm der Sitzung des Militärgerichtshofs von Nürnberg am 23. Januar 1946
- Presse in der Nazi-Zeit. "Kusch wie ein Schoßhündchen"
Dank an Dr. phil Schanna Moskwina für die Unterstützung bei der Erstellung des Artikels