Dokumentarfilme für das Tribunal

Wie die sowjetische Seite Filme als Beweismaterial für den Internationalen Militärgerichtshof angefertigt hat – darüber berichtet Dmitrij Astaschkin, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sankt Petersburger Institut für Geschichte der Russischen Akademie der Wissenschaften.

Am achten Tag des Nürnberger Tribunals, dem 29. November 1945, präsentierte der Assistent des amerikanischen Hauptanklägers James Donovan den ersten Filmbeweis in diesem Prozess – den Dokumentarfilm „Nazi-Konzentrationslager“. Dies war eine Zusammenstellung aus dem Filmmaterial, welches unmittelbar nach der Befreiung der Lager durch US-Streitkräfte aufgezeichnet wurde. Der Ankläger der UdSSR, Konstantin Gorschenin, hatte ein Telegramm über die Erstellung ähnlicher Dokumentarfilme nach Moskau geschickt. Der Leiter der Abteilung für Propaganda und Agitation des ZK der KPdSU Georgij Alexandrow und der Vorsitzende für Angelegenheiten der Kinematografie des Rates der Volkskommissare der Sowjetunion Iwan Bolschakow beauftragten daraufhin den erfahrenen Kameramann von der Front Roman Karmen mit der Leitung dieses Projekts. Er hatte die Gräueltaten der Nazis in den befreiten Lagern gefilmt und das Filmteam geleitet. Und er war weithin auch als Korrespondent Roman Karmen von der amerikanischen Presseagentur United Press bekannt.

Lesen Sie auch

Rassenkunde-Unterricht in einer deutschen Schule zur NS-Zeiten
„Die Lehren von Nürnberg“

Während des Prozesses filmte Karmen in Nürnberg. Das Drehbuch für seine Moskauer Kollegen und den Schnitt koordinierte er jedoch aus der Ferne. In den Memoiren des Schriftstellers Boris Polewoj, der auch in Nürnberg als Reporter tätig war, heißt es:

„Roman Karmen hatte mir bereits erzählt, dass sie sich darauf vorbereiten, eine ‚kleine Bombe‘ unter die Anklagebank zu legen, deren Explosion allen in Erinnerung bleiben wird. Während er hier mit seinen Jungs beim Prozess zugange war, wurde in Moskau ein Film nach seinem Drehbuch aus Bildern gebastelt, die im Krieg aufgenommen wurden.“

So wurde Filmaufnahmen aus den Jahren 1941- 1945 mit Verbrechen des Nazismus zusammengestellt – angefangen von Städten im Gebiet Moskau bis Auschwitz-Birkenau.

Der 45 Minuten lange Film „Filmdokumente über die Gräueltaten der deutsch-faschistischen Invasoren“ wurde schnell fertiggestellt: spätestens am 21. Dezember 1945. Am 19. Februar 1946 war es dann so weit: Der Film wurde dem Tribunal in Nürnberg von dem Assistenten des Haupanklägers der UdSSR Lew Smirnow demonstriert – diese Dokumentaraufnahmen wurden schließlich zu einem offiziellen Beweis der UdSSR.