Warum Hitler den Krieg in Polen begann
Vom 4. bis 6. Dezember beschäftigte sich die Anklage mit den Ereignissen zu Beginn des Zweiten Weltkrieges: mit dem Überfall auf Polen. Als Anlass für den Angriff wurde der Streit um den Danziger Korridor genommen – einen Raum zwischen Ostpreußen und dem restlichen Territorium Deutschlands, wo die Freie Stadt Danzig lag. Hitler wollte den Korridor kontrollieren, um angeblich die endgültige Wiedervereinigung der Deutschen zu ermöglichen. In Wahrheit aber wollte er Polen erobern.
Ein Geschenk aus Versailles
Nach dem Ersten Weltkrieg verlor Deutschland im Sinne des Vertrags von Versailles Westpreußen (mit der Hauptstadt in Danzig), das seit dieser Zeit Polens wurde. Damit bekam Polen zum ersten Mal seit mehr als 100 Jahren Zugang zur Ostsee. Aber Ostpreußen (mit der Hauptstadt in Königsberg) blieb weiter deutsch – und war „abgeschnitten“ vom Territorium des ganzen Landes.
Danzig, eine wichtige Hafenstadt an der Ostsee, gehörte seit der Gründung 997 mehrmals beiden Ländern: von 997 bis 1308 und von 1466 bis 1793 gehörte es Polen und hieß Gdansk, und die ganze andere Zeit war es deutsch.
In Westpreußen entstand die polnische Woiwodschaft Pommern, doch Danzig und etwa 200 Dörfer in seiner Umgebung blieben die Freie Stadt, die offiziell weder Deutschland noch Polen gehörte. Es blieb unter dem Schutz des Völkerbundes und bildete eine Zollunion mit Polen. Im Grunde war das ein assoziiertes Territorium Polens mit einem starken deutschen Einfluss im Kulturbereich: Laut der Volkszählung von 1923 sprachen mehr als 95 Prozent der Einwohner Danzigs von ihrer Geburt an Deutsch.
Die Woiwodschaft Pommern bekam den Namen „Danziger (oder auch Polnischer) Korridor“. Er war höchstens 200 Kilometer breit (und nur 30 Kilometer breit in der engsten Stelle), und im Norden lag die Ostsee.
Hitlers Freundschaftsschwur
Hitler wollte immer Westpreußen zurückerobern, aber lange wollte er das nicht zeigen und tat zunächst so, als wäre er ein guter Freund von Polen. 1934 wurde der Deutsch-polnische Nichtangriffspakt (auch als Pilsudski-Hitler-Pakt bekannt) unterzeichnet, dank dem das Dritte Reich keine Angst um seine östliche Grenze haben musste. Vier Jahre später, am 20. Februar 1938, erklärte Hitler im Reichstag:
„So gelang es, den Weg für eine Verständigung zu ebnen, die, von Danzig ausgehend, heute trotz des Versuchs mancher Störenfriede, das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen endgültig zu entgiften und in ein aufrichtig freundschaftliches Zusammenarbeiten zu verwandeln vermochte ... Deutschland wird jedenfalls, gestützt auf seine Freundschaft, nichts unversucht lassen, um jenes Gut zu retten, das die Voraussetzung für jene Arbeiten auch in der Zukunft abgibt, die uns vorschweben, – den Frieden.“
Diese Worte zitierte auch der britische Chefankläger Hartley Shawcross in Nürnberg. „Noch unglaublicher“ nannte er die Erklärung des Führers im Berliner Sportpalast am 26. September 1938:
„Es bestand die Gefahr, dass die Vorstellung einer ‚Erbfeindschaft‘ von unserem, wie auch vom polnischen Volk Besitz ergreifen würde. Dem wollte ich vorbeugen. Ich weiß genau, dass es mir nicht gelungen wäre, wenn damals Polen eine demokratische Verfassung gehabt hätte. Denn diese Demokratien, die von Friedensphrasen triefen, sind die blutgierigsten Kriegshetzer. In Polen herrscht nun keine Demokratie, sondern ein Mann! Mit ihm gelang es in knapp einem Jahr, ein Übereinkommen zu erzielen, das zunächst auf die Dauer von zehn Jahren grundsätzlich die Gefahr eines Zusammenstoßes beseitigte. Wir alle sind überzeugt, dass dieses Abkommen eine dauerhafte Befriedung mit sich bringen wird. Wir sehen ein, dass hier zwei Völker sind, die nebeneinander leben müssen, und von denen keines das andere beseitigen kann.“
Doch nur einen Monat später, am 25. Oktober, informierte der polnische Botschafter in Berlin, Józef Lipski, seinen Außenminister Józef Beck, dass dessen deutscher Amtskollege Joachim von Ribbentrop verlangt hatte, Danzig dem Dritten Reich zu überlassen. Zudem bestand Ribbentrop auf dem Bau einer exterritorialen Autobahn und einer Bahnstrecke durch die Woiwodschaft Pommern, um den Verkehr mit Königsberg und Ostpreußen zu erleichtern.
„Seit diesem Tag wurden Verhandlungen über Deutschlands Forderungen geführt, bis die polnische Regierung während eines Besuchs des Angeklagten Ribbentrop in Warschau, der am 27. Januar 1939 zu Ende ging, erklärte, es würde Danzig nicht Deutschland überlassen“, so Shawcross.
Diplomatie durch das Fadenkreuz
Am 24. November 1938 erließ der Stabschef des Wehrmachtkommandos, Wilhelm Keitel, einen Befehl, in dem er Hitlers Verfügung erwähnte, die Besetzung der Freien Stadt Danzig vorzubereiten.
Ein richtiger Krieg gegen Polen wurde zu diesem Zeitpunkt noch nicht geplant: Das Dritte Reich wollte nur den Danziger Korridor unter seine Kontrolle nehmen. Als Ribbentrops Warschau-Reise im Januar 1939 ohne Erfolg endete, trat Hitler dennoch mit lobenden Reden auf:
„In diesen Tagen jährt sich zum fünften Mal der Abschluss unseres Nichtangriffspaktes mit Polen. Über den Wert dieser Vereinbarung gibt es heute unter allen wirklichen Friedensfreunden wohl kaum eine Meinungsverschiedenheit. Man braucht sich nur die Frage vorzulegen, wohin vielleicht Europa gekommen sein würde, wenn diese wahrhaft erlösende Abmachung vor fünf Jahren unterblieben wäre. (…) Auch in den unruhigen Monaten des vergangenen Jahres war die deutsch-polnische Freundschaft eine der beruhigenden Erscheinungen des europäischen politischen Lebens.“
Druck auf die „Freunde“ wurde aber weiter ausgeübt, sobald Deutschland im März 1938 die Tschechoslowakei geschluckt und Litauen das Memelland abgestritten hatte, das an Ostpreußen grenzte. Am 21. und 26. März verlangte Ribbentrop von Warschau wieder, Deutschland Danzig und zudem die künftige Auto- und Eisenbahn nach Königsberg zu überlassen. Stattdessen versprach er eine Belohnung: die westlichen Grenzen Polens anzuerkennen, die Ansprüche auf die Gebiete und Orte innerhalb des Danziger Korridors aufzugeben, dem Danziger Hafen den Porto-Franco-Status zu überlassen und sogar Polen im territorialen Streit mit der Ukraine zu unterstützen. Aber Warschau weigerte sich wieder.
„Beschwichtigung des Aggressors“ misslungen
Trotz des Anschlusses der Sudeten und der späteren Annexion Tschechiens, des Anschlusses Österreichs und der Rückeroberung des Memellandes verlangte Hitler immer neue Gebiete – und es gab keinen Grund, zu glauben, dass er sich bald beruhigen würde. Erst jetzt sahen die westlichen demokratischen Länder ein, dass ihre Politik zur „Beschwichtigung des Aggressors“ gescheitert war.
„Die Ereignisse vom März 1939 überzeugten endlich sowohl die britische als auch die französische Regierung, dass die aggressiven Absichten der Nazis sich nicht nur auf Personen der deutschen Nationalität beschränkten und dass ein möglicher europäischer Krieg wegen weiterer Aggressionen Nazi-Deutschlands nach der Unterzeichnung des Münchner Abkommens nicht weg vom Tisch war“, betonte Shawcross in Nürnberg.
Am 31. März erklärte der britische Premier Neville Chamberlain im House of Commons, dass sich seine Regierung verpflichtet habe, Polen zu unterstützen, falls dessen Unabhängigkeit in Gefahr geraten sollte und die polnischen Behörden dieser Gefahr Widerstand leisten würden. Am 6. April erschien eine gemeinsame britisch-polnische Erklärung, der zufolge beide Länder bereit wären, ein entsprechendes Abkommen zu treffen.
Am 14. April 1939, nach dem Einmarsch der italienischen Truppen in Albanien, fragte US-Präsident Franklin Roosevelt Mussolini und Hitler: „Wären Sie bereit, zu garantieren, dass Ihre Streitkräfte nicht gegen weitere unabhängige Staaten eingesetzt werden?“ Dann folgte die Liste aus insgesamt 31 Ländern, insbesondere Polen, Finnland, die Baltischen Länder, Jugoslawien und die Sowjetunion. Hitler erklärte seinerseits im Reichstag, dass er nicht im Voraus sagen könne, welche Maßnahmen künftig zwecks Friedensförderung nötig wären.
Der „Fall Weiß“
Die Nazis rüsteten sich tatsächlich für den Krieg. Am 3. April veröffentlichte Keitel eine Direktive, zu der der so genannte „Plan Weiß“ beigelegt war, der einen Überfall auf Polen am 1. September 1939 vorsah.
Am 11. April schickte Hitler seine Direktive an die Wehrmacht. Nach seinen Worten sollte diese bereit sein: 1) Sicherheit der Grenzen zu gewährleisten; 2) „Plan Weiß“ umzusetzen; 3) Danzig anzuschließen.
Shawcross führte später an, dass im Anhang an diese Direktive darauf verwiesen worden sei, dass Auseinandersetzungen mit Polen vermieden werden sollten.
„Aber falls Polen seine Außenpolitik verändern und eine Position einnehmen sollte, die Deutschland gefährden würde, müsste die Frage endgültig gelöst werden – trotz des Nichtangriffspaktes. Die Freie Stadt Danzig sollte wieder an Deutschland angeschlossen werden – spätestens unmittelbar zu Beginn des Konflikts.“
Die in diesem Dokument geschilderte Politik verfolgte das Ziel, den Krieg nur auf Polen zu beschränken. Das galt als möglich angesichts der innenpolitischen Krise in Frankreich und der darauf zurückzuführenden Zurückhaltung Großbritanniens.
Laut dem Ankläger war in der Direktive nicht ein sofortiger Überfall vorgesehen, doch das „wahre Ziel“ des Dokuments war Shawcross zufolge, die militärische Stärke Polens zu zerschlagen und im Osten eine Situation zu schaffen, die die Kriterien eines Verteidigungsfalls vortäuschen würde.
Hitler nutzte den Versuch Polens, sich mithilfe Großbritanniens zu schützen, um sich als unschuldiges Opfer darzustellen. Er sagte, dass die neue britisch-polnische Deklaration den deutsch-polnischen Pakt 1934 verletze und Deutschland deshalb das Abkommen aufkündige.
Polen meine wie die Tschechoslowakei unter Druck der internationalen Lügen-Kampagne, dass es zur Mobilmachung greifen sollte, während Deutschland niemanden dazu aufgerufen habe, sich auf eine gewaltsame Aktion gegen Polen vorzubereiten … Die Absichten Deutschlands, einen Angriff zu organisieren, seien von der internationalen Presse erfunden worden, so Hitler.
Der britische Ankläger John Griffith-Jones:
„So trat Hitler auf, als er in der Aktentasche Kopien der Verordnungen über die Vorbereitung eines Angriffs auf Polen hatte.“
Um Danzig ging es nicht
Am 22. Mai führte Hitler eine Sitzung mit Militärs durch, unter ihnen der Minister der Luftwaffe Hermann Göring, Oberkommandeur der Kriegsflotte Erich Raeder und Wilhelm Keitel. Nun wurde deutlich, dass es Deutschland nicht um Danzig ging, sondern um viel mehr.
Hitler:
„Danzig ist nicht das Objekt, um das es geht. Es handelt sich für uns um die Erweiterung des Lebensraumes im Osten und die Sicherstellung der Ernährung sowie um die Lösung des Baltikum-Problems. Es entfällt also die Frage, Polen zu schonen, und bleibt der Entschluss, bei erster passender Gelegenheit Polen anzugreifen.“
Am 14. Juni erstellte der Oberbefehlshaber der 3. Heeresgruppe, General Johannes Blaskowitz, einen ausführlichen Plan für die Kampfoperationen für den „Fall Weiß“. Am darauffolgenden Tag wurde ein Memorandum des Oberbefehlshabers des Heeres, Walther von Brauchitsch, verabschiedet, in dem erklärt wurde, dass das Ziel der bevorstehenden Operation die Vernichtung der polnischen Streitkräfte sei. Am 22. Juni erstellte Keitel einen vorläufigen Terminplan für die Operationen, der von Hitler wohl gebilligt wurde.
Am 12. und 13. August besprachen Hitler und Ribbentrop den künftigen Krieg mit dem italienischen Außenminister Galeazzo Ciano. Hitler sagte dabei, dass das polnische Problem unverzüglich gelöst werden soll, weil ansonsten das Wetter diesen Krieg behindern könnte.
Vom September bis Mai sei Polen eine Sumpflandschaft, Militäroperationen seien in dieser Zeit kaum möglich.
Am 25. August unterzeichneten Polen und Großbritannien einen Verteidigungspakt. Der Vertrag enthielt gegenseitige Versprechen militärischer Hilfen bei Angriffen einer dritten Partei.
Am 31. August erließ Hitler einen geheimen Befehl, am frühen Morgen des 1. September anzugreifen.
„Damit entfesselten Hitler und seine Mitstreiter, die sich jetzt vor ihnen auf der Anklagebank befinden, den ersten ihrer Angriffskriege, auf die sie sich so detailliert und lange vorbereiteten. Sie führten diesen Krieg so erbittert, dass Polen in einigen Wochen besiegt wurde“, schlussfolgerte Hartley Shawcross.
„Ein seltsamer Krieg“
Am 1. September 1939 begannen deutsche Truppen ohne Kriegserklärung mit der Offensive entlang der gesamten polnischen Grenze. Am 5. September nahmen sie den Danzig-Korridor ein, am 14. September kesselten sie Warschau ein und begannen mit der Belagerung.
Als Antwort auf diesen Angriff erklärten Großbritannien und Frankreich Deutschland den Krieg. Am 7. September überquerten französische Truppen die Saar-Grenze, ohne Widerstand seitens der anderen Seite – die deutsche Bevölkerung wurde evakuiert.
Doch am 12. September beschloss das Kommando der Alliierten, die Offensive zu stoppen, weil die Ereignisse in Polen weitere Kriegshandlungen an der Saar-Grenze nicht mehr rechtfertigten. Damit verzichtete Frankreich faktisch auf seine Verpflichtungen, mit denen Warschau so sehr rechnete. Das deutsche Kommando war zu diesem Zeitpunkt nicht imstande, eine schlagkräftige Einheit an der westlichen Front zusammenzuziehen - eine vertane Chance für Frankreich und Großbritannien, entscheidend in den Kriegsverlauf einzugreifen. Diese Ereignisse gingen in die Geschichte als „seltsamer Krieg“ ein.
Man habe 1939 keine Niederlage erlitten, nur weil rund 110 französische und britische Divisionen im Westen gegen 25 deutsche Divisionen absolut nichts taten, während wir Krieg gegen Polen führten, sagte der Chef des Wehrmachtführungsstabes im Oberkommando der Wehrmacht, Alfred Jodl, auf der Anklagebank.
Das Ende Polens und Beginn des Zweiten Weltkrieges
Am 28. September, nach dem Versiegen aller Kräfte für die Verteidigung der Hauptstadt, kapitulierte das polnische Kommando. Am selben Tag, gemäß dem neuen Vertrag, wurden polnische Gebiete zwischen Deutschland und der Sowjetunion gemäß einem geheimen Protokoll zum Molotow-Ribbentrop-Pakt aufgeteilt. Einige Gebiete gingen an Litauen und die Slowakei. Am 6. Oktober brach in Koske der letzte Widerstand zusammen.
Am 6. Oktober schlug Hitler vor, eine Friedenskonferenz unter Teilnahme aller Großmächte einzuberufen, um die vorhandenen Kontroversen zu regeln. Frankreich und Großbritannien sagten, dass sie nur auf eine Konferenz eingehen werden, wenn das Dritte Reich unverzüglich die Truppen aus Polen und Tschechien abzieht und diesen Ländern die Unabhängigkeit zurückgibt. Deutschland lehnte diese Bedingungen ab, die Friedenskonferenz kam nicht zustande.
Am 23. November zog Hitler mit der Wehrmachtführung ein Fazit zu seinem militaristischen Projekt, beginnend 1937:
"Ein Jahr später kam Österreich (…) Es brachte eine wesentliche Stärkung des Reiches. Der nächste Schritt war Böhmen, Mähren und Polen. Aber dieser Schritt war nicht in einem Zuge zu tun. (…) aber ich war mir zu dem Zeitpunkt noch nicht im klaren, ob ich erst gegen den Osten und dann gegen den Westen oder umgekehrt vorgehen sollte (...) Der Entschluß zum Schlagen war immer in mir. Früher oder später wollte ich das Problem lösen. Zwangsläufig wurde entschieden, daß der Osten zunächst zum Ausfall gebracht wurde."
Ende 1940 wurden Großbritannien und Frankreich in den Krieg mit Deutschland einbezogen, doch sie hielten Abstand von Offensiven. Kampfhandlungen wurden nur auf See geführt, wo deutsche U-Boote mehr als 1000 britische Schiffe versenkten. Ein weiterer deutscher Angriffskrieg in Europa reifte heran, auf den immer noch niemand gefasst war.
Daniil Sidorow
Kommentar des Experten
Polnische Führung ließ ihr Volk im Stich
Dmitri Surschik, Senior wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums für Kriegsgeschichte und Geopolitik des Instituts für allgemeine Geschichte der Russischen Akademie der Wissenschaften:
Seit den ersten Tagen der Staatlichkeit hatte die Republik Polen die Unterstützung Großbritanniens und Frankreichs. Polen war die Grundlage der osteuropäischen Pufferzone vor der Sowjetunion, das wurde weder in London noch in Paris verheimlicht. Deswegen beschlossen Großbritannien und Frankreich trotz der Tatsache, dass die polnische Führung mit Hitler kokettierte, zu helfen, und einen Krieg gegen Deutschland zu beginnen.
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Diese Kurzsichtigkeit war damals bei Vielen zu erkennen. Was die britisch-französischen Einschätzungen zum Zustand der polnischen Armee betrifft, waren sie unglaublich positiv und entsprachen nicht dem realen Potenzial. Womit das zusammenhing, ist schwer zu sagen, doch die Zahl der polnischen Truppen wurde um 15 Prozent übertrieben. Logistische Probleme wurden überhaupt nicht erörtert; die schlechte taktische Vorbereitung, der Schwerpunkt auf die Kavallerie statt auf mechanisierte Einheiten wurden auch nicht berücksichtigt.
Zum 17. September, als sowjetische Truppen in die östlichen Gebiete Polens einmarschierten, verließ die politische Führung bereits das Land, und die deutschen Truppen befanden sich bereits seit einer Woche bei Warschau. Zu sagen, dass die Sowjetunion die polnischen Truppen irgendwie auf sich zog, ist unglaubwürdig. Nach Völkerrechtsnormen der damaligen Zeit – falls die Führung das Land verlassen hat, existiert dieser Staat nicht mehr.
Gerade damit wird der Starrsinn erklärt, mit der Stalin 1941 in Moskau blieb, und seine berühmte Phrase „Möge das Kommando der Westlichen Front die Schaufel nehmen und für sich Gräber scharren“. Die polnische Führung ließ ihre Truppen und ihr Volk im Stich.
Daniil Sidorow