Protokoll der Kommission der sowjetischen Anklage zur Kürzung der Zahl der Zeugenaussagen

Über die Beschlüsse, die die Gruppe der sowjetischen Anklage bei den Nürnberger Prozessen operativ fasste, erzählt Dmitri Astaschkin, Kandidat der historischen Wissenschaften,  Experte des St. Petersburger Instituts für Geschichte bei der Russischen Akademie der Wissenschaften.

In dem Dokument wurde die Logik der Kürzung der Zahl der Zeugenaussagen durch jedes Land begründet. Als erster beschloss der US-Ankläger, Robert Jackson, seine Liste zu reduzieren. Laut seiner Strategie („prove incredible events by credible evidence” – „unglaubliche Dinge mit glaubwürdigen Beweisen bestätigen“) sollte sich die Anklage auf Zitate aus den Unterlagen der Nazis und nicht auf Augenzeugen verlassen, die unter Umständen kaum zuverlässig sein könnten. Angesichts dieses Beschlusses Jacksons entschied sich auch die sowjetische Seite für eine Kürzung der Liste ihrer Belastungszeugen, die am 27. November angefertigt wurde.

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Bei der Auswahl der Zeugen, die vor dem Gericht auftreten sollten, wurde der Wortlaut der Anklage berücksichtigt – die Aussagen sollten verschiedene Typen von Verbrechen betreffen, die Biografien der Zeugen sollten verschiedene Schichten der sowjetischen Bevölkerung repräsentieren. So traten im Februar 1946 fünf sowjetische Augenzeugen mit Aussagen über die Verbrechen der Wehrmacht auf dem Territorium der Sowjetunion auf: Jakow Grigorjew, Mitglied eines Kolchos, berichtete über die Vernichtung von Dörfern im Gebiet Pskow; der Erzpriester Nikolai Lomakin über die Blockade von Leningrad und über die Vernichtung von Kirchen in der Stadt; der Arzt Jewgeni Kiwelischa sagte über die unmenschlichen Lebensbedingungen in deutschen Lagern für sowjetische Kriegsgefangene aus; das Akademiemitglied Josef Orbeli berichtete von Zerstörungen in Leningrad in den Blockadejahren und der jüdische Dichter und Partisan Abraham Suzkewer über den Holocaust in Vilnius.

Mit der Zeit stellte sich heraus, dass ein ausführliches Verlesen der Dokumente den Prozess kaum sehenswert machte:

„Der Gerichtssaal verwandelte sich in eine Zitadelle der Langeweile“, schrieb die Zeitschrift „The New Yorker“ 1946.

Aber diese Methode war aus juristischer Sicht durchaus überzeugend, denn die Unterlagen enthielten wichtige Fakten.

Erstellt von Jekaterina Tschernezkaja