„Die schlimmsten, jemals geschriebenen Sätze“

„Die schlimmsten, jemals geschriebenen Sätze“ entdeckten die US-Ankläger in Hitlers Unterlagen über den Angriff gegen die Sowjetunion

„Barbarossa“ hieß der Plan zum Blitzkrieg Nazi-Deutschlands gegen die Sowjetunion, den es im Juni 1941 beginnen und schon im September beenden wollte. Dieses Dokument wurde zum Beweis für den im Voraus geplanten deutschen Angriff gegen die UdSSR. Am 26. November präsentierte ihn der US-Ankläger Sidney Alderman dem Militärgerichtshof.

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Weisung Nr. 21 vom 18. Dezember 1940
Unprovozierte Aggression
Alderman erklärte, dass der Plan  „die Absicht und den Vorbedacht im Vorfeld des Überfalls“ beweise. Er präsentierte dem Gericht die geheime Direktive Nr. 21 des Oberkommandos der Wehrmacht vom 18. Dezember 1940, das den Plan gebilligt hatte. Das in den Archiven des Oberkommandos des Heeres in Flensburg entdeckte Dokument hatten Hitler und zwei spätere Angeklagte, Alfred Jodl und Wilhelm Keitel, unterzeichnet.

Der Plan wurde nach dem mittelalterlichen deutschen Kaiser Friedrich I. Barbarossa benannt, der für seine siegreichen Kriege bekannt war. Der Plan sah den spontanen Überfall auf die Sowjetunion vor, wobei die Rote Armee blitzschnell bezwungen werden und der europäische Teil der Sowjetunion binnen von vier oder fünf Monaten besetzt werden sollte. Den Erfolg des Unternehmens sollte die moderne Kriegstechnik samt dem Überraschungseffekt vorbestimmen.

1939 hatten Deutschland und die Sowjetunion einen Nichtangriffsvertrag für zehn Jahre unterzeichnet. Mitte 1940 kontrollierten das Dritte Reich und dessen Verbündete alle Länder im kontinentalen Europa außer den neutralen Ländern. Aber im Mai und Juni scheiterte Deutschland beim Versuch, Großbritannien zu bezwingen. Um den Briten ihren letzten potenziellen Verbündeten in Europa „wegzunehmen“, beschloss der Führer, die Sowjetunion mit einem Schlag zu bezwingen. 

Für den Überfall auf die Sowjetunion beschloss das Oberkommando des Heeres, die Eroberung der Britischen Inseln auf dem Festland zu verschieben, und bereitete seit 21. Juli den Krieg im Osten vor. In Berlin dachte man, dass nach der Eroberung der Sowjetunion und der Kapitulation Großbritanniens die USA sich in den Konflikt nicht einmischen würden.

Am 31. Januar 1941 schloss das Oberkommando der Wehrmacht den Plan ab und veröffentlichte die Direktive zur Truppenkonzentration. In diesem Dokument wurde die wichtigste strategische Idee des Unternehmens „Barbarossa“ formuliert: die Front der Hauptkräfte der russischen Armee im Westen Russlands mit schnellen und tiefen Schlägen der starken mobilen Gruppierungen nördlich und südlich der Pripjat-Sümpfe spalten und zerstreute Gruppierungen der gegnerischen Truppen vernichten. Der Angriff war für den 15. Mai geplant, wurde aber wegen der Wehrmacht-Offensive auf dem Balkan auf den 22. Juni verschoben.

In das sowjetische Territorium sollten insgesamt mehr als 150 deutsche Divisionen eindringen, die insgesamt vier Millionen Soldaten zählten. Der Plan sah auch eine Beteiligung der Verbündeten des Dritten Reiches vor. Finnische Truppen sollten eine Offensive auf der Karelischen Landenge und eventuell östlich vom Ladogasee beginnen; Rumänien sollte die Offensive der Heeresgruppe „Süd“ unterstützen und das Hinterland verteidigen.

Ein weiteres geheimes Dokument, das Alderman präsentierte, war ein Memorandum vom 2. Mai 1941 zu den Ergebnissen der Besprechung des Plans „Barbarossa“, die am selben Tag stattgefunden hatte. Sein Wortlaut zeugte davon, dass die Nazis die Folgen ihres Angriffs auf die Sowjetunion voll und ganz einsahen. 

Die Direktiven und Befehle, die den Plan vervollkommneten, ließen Kriegsverbrechen gegen die sowjetische Bevölkerung zu. Ihnen zufolge waren gefangengenommene Kommissare, Kommunisten, Juden und Partisanen zu vernichten.

Den Plan „Barbarossa“ konnte Deutschland allerdings nicht umsetzen. Im Mai 1941 begann die Verlegung der Truppenteile der Roten Armee in den Westen – trotz des Nichtangriffspakts mit Berlin fürchtete man in Moskau den Krieg. Allerdings war Josef Stalin sich sicher, dass Hitler in absehbarer Zeit den Friedensvertrag nicht brechen würde, und ignorierte sogar die Informationen seiner Nachrichtendienste. Letztendlich waren die sowjetischen Truppen an der Grenze weder zu einer eigenen Offensive noch zur Verteidigung bereit (die meisten Soldaten befanden sich in ihren ständigen Unterkünften oder in Übungslagern). So konnte die Wehrmacht, die zahlenmäßig wesentlich stärker war als die Rote Armee, in den ersten Kriegswochen die strategische Initiative ergreifen.

Besonders große Erfolge feierte die Wehrmacht im Norden, wo sie das Baltikum eroberte und Leningrad nahezu erreichte. In der Mitte besetzten die deutschen Truppen am 16. Juli die Stadt Smolensk, doch dann geriet ihre Offensive für mehrere Wochen ins Stocken. Besonders große Schwierigkeiten hatte die Wehrmacht im Süden.

Die Offensive in Richtung Moskau begann am 30. September, aber zu dem Zeitpunkt wurde schon klar, dass das Unternehmen „Barbarossa“ in seiner ursprünglich geplanten Form gescheitert war.

Daniil Sidorow