Am 9. August 1946 wurde der ehemalige Kapo im KZ Buchenwald, Josef Müller, wegen des Verdachts der Ermordung Ernst Thälmanns in Dortmund festgenommen. Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei in Deutschland war in der Nacht zum 18. August 1944 im KZ-Lager Buchenwald getötet worden. Müller war als Berufskrimineller in Buchenwald inhaftiert und arbeitete als Kapo im Krematorium. Er gestand, dass er politische Gefangene mit einem Knüppel getötet und die Leichname verbrannt hatte. In Bezug auf Thälmann sagte er, dass er nur Schüsse hörte und der Leichnam ihm später zur Verbrennung gebracht wurde.

Die Zeugenangaben in diesem Mordfall widersprachen sich. Die einen sagten, dass Müller KP-Chef Thälmann mit einem Knüppel getötet hatte, andere gaben an, dass sie sahen, wie er erschossen wurde. Für die Morde erhielt Müller von den Aufsehern Zigaretten, zusätzliches Essen und Wodka. Müller wurde in einer halb niedergebrannten Villa festgenommen, wo er sich versteckt hielt.

Doch im Buchenwald-Hauptprozess war Müller nicht unter den 31 Angeklagten zu finden. Die Hauptangeklagten waren Josias zu Waldeck (Himmlers Vertrauter, der die Rolle des „Richters“ in Buchenwald spielte), Hans Schmidt (Stabschef in der Lagerkommandantur) und Wolfgang Otto (SS-Stabsführer, Mitglied einer Exekutionsgruppe). Am 21. April 1946 hörte das Gericht die Zeugenangaben über den Mord an Thälmann. Der Tscheche Marian Zgoda gab an, dass SS-Männer die Leichname Thälmanns selbst in den Verbrennungsofen steckten. Nach der Farbe sei klar gewesen, dass der Leichnam zusammen mit der Kleidung verbrannt worden sei, die Asche war dunkel, während sie gewöhnlich fast weiß sei, sagte er.

Der Beschluss über die Ermordung Thälmanns wurde im Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ nach einem gescheiterten Mordanschlag auf Hitler am 20. Juli 1944 getroffen. Heinrich Himmler machte nach einem Gespräch mit Hitler einen Vermerk neben dem Namen Thälmann (Punkt 12 des Gesprächs): „Exekutieren“. Marian Zgoda war unter jenen, die behaupteten, dass Thälmann erschossen wurde. Zgoda soll sich in diesem Moment hinter einem Müllhaufen versteckt und gesehen haben, als der Häftling an vier SS-Männern vorbei in den Korridor des Krematoriums ging, drei Schüsse hörte er. Danach gingen die draußen befindlichen SS-Männer und zwei Zivilisten ins Krematorium und schlossen die Tür hinter sich. Nach rund drei Minuten war ein vierter Schuss zu hören, der offenbar der letzte war. Das deutsche Nachrichtenbüro DNB meldete am 14. September 1944, dass Thälmann am 28. August bei einem Bombenangriff der Alliierten auf Buchenwald ums Leben kam.

Den unmittelbaren Vollstreckern des Mordes wurden quasi Persilscheine ausgestellt. Wolfgang Otto arbeitete später unbehelligt als Lehrer einer katholischen Schule. Josef Müller wurde von einem anderen Gericht verurteilt und 1957 freigelassen. Die Hamburger Zeitung „Die Zeit“ schrieb dazu: Jene, die Gerichtsdokumente lesen, lässt nicht das Gefühl los, dass alle Bemühungen der Anwälte 20 Jahre lang nur darauf gerichtet waren, die Beweisstücke einer unmöglichen Bestrafung für diese Verbrechen zu finden…

 

Quelle: „Prawda“, 10. August 1946 Nr.189 (10271)