Am 6. Juli 1946 forderten mehrere Hunderte junge Anhänger Josip Broz Titos die sofortige Übergabe Triests und der Halbinsel Istrien an Jugoslawien und bewarfen die Militärpolizei der Alliierten mit Steinen.

Eine der schwer lösbaren territorialen Streitigkeiten blieb nach dem Zweiten Weltkrieg die Frage nach der staatlichen Zugehörigkeit der Halbinsel Istrien und der Hafenstadt Triest. Die Situation wurde zusätzlich dadurch erschwert, dass die Regierung Josip Broz Titos am 11. April 1945 einen Vertrag über Freundschaft und gegenseitige Hilfe mit Moskau unterzeichnet hatte, und die Triest-Frage wurde aus einer bilateralen Angelegenheit für Jugoslawien und Italien zu einer der ersten Streitthemen des Kalten Kriegs. Tito manövrierte geschickt, indem er Kritik sowohl an den USA als auch an der Sowjetunion übte, ohne die Großmächte direkt zu nennen: „Wir wollen nicht fremde Rechnungen begleichen, wir wollen keine Wechselmünze werden, wir wollen nicht, dass man uns in die Politik der Interessenbereiche verwickelt.“ Stalin wurde nach diesem Vortrag Titos wütend, aber er konnte ihm unmöglich Hilfe verweigern, denn dadurch würde Moskau die Helferrolle faktisch Washington überlassen. Tito wagte es nicht, die Truppen der Alliierten anzugreifen, und die USA konnten ihre Truppen nicht abziehen, denn ihnen war klar, dass Jugoslawien Triest sofort überfallen und erobern würde. Bei den Beratungen der Außenminister in Paris bestand die sowjetische Seite auf der Überlassung des westlichen Teils Istriens, insbesondere der Stadt Triest, Jugoslawien. In Triest selbst kam es deswegen immer wieder zu Unruhen.

 

In der Triest-Debatte wurde nie eine allseitig akzeptable Entscheidung getroffen, und während der Tagung des Außenministerrats in New York im November 1946, bei der erneut keine Einigung erzielt werden konnte, traf sich US-Außenminister James Byrnes inoffiziell im Hotel Ritz mit seinem sowjetischen Amtskollegen Wjatscheslaw Molotow und erklärte: „Nach einer allgemeinen Analyse dieser Situation denke ich, dass es für uns alle das Richtige wäre, unseren Misserfolg einzuräumen und unsere Beratung zu beenden.“ Dabei verwies Byrnes speziell auf die Undankbarkeit der jugoslawischen Seite gegenüber der Sowjetunion. Bis 1954 blieb Triest das so genannte Freie Territorium Triest, das von den britisch-amerikanischen Militärbehörden kontrolliert wurde. 1954 wurden Triest und das Territorium nördlich der Stadt Italien zugeschlagen, während das südliche Gebiet an Jugoslawien ging. Nach dem Zerfall des Landes in den 1990er-Jahren wurde dieses Territorium zwischen dem Slowenischen Küstenland (Primorska) und der kroatischen Gespanschaft Istrien aufgeteilt.

 

Quelle: Anatoli Anikejew. Jugoslawien in der europäischen Politik der Großmächte in den Jahren des Kalten Kriegs (Ende der 1940er- bis Anfang der 1950er-Jahre). Slawenkunde. 1992. Nr.5