Am 4. Juli 1946 ereigneten sich in Kielce in Polen die größten anti-jüdischen Ausschreitungen nach dem Krieg.
Antisemitische Stimmungen waren in Polen weit verbreitet und hielten selbst nach Bekanntgabe des Fakts des Holocausts an. Nach dem Krieg kam es hin und wieder zu Ausschreitungen. Nach Angaben aus dem Archiv wurden vom November 1944 bis Dezember 1945 351 Juden getötet. Die meisten Morde ereigneten sich in den Wojewodschaften Kielce und Lublin, wo die aus KZ-Lagern zurückgekehrten Gefangenen bzw. ehemalige Partisanen zum Opfer wurden.
Pogrome entstanden nach einem typischen Schema – in Lublin, Tarnow und Rzeszów wurden zunächst Gerüchte über den „Mord eines polnischen Kindes durch Juden“ verbreitet. Der Pogrom in Krakau am 11. August 1945 musste mit polnischen Einheiten und der sowjetischen Armee gestoppt werden.
In Kielce waren nach dem Holocaust 200 von 20.000 Juden aus der Vorkriegszeit übrig geblieben. Die Mehrheit waren KZ-Gefangene. Am 1. Juli wurde ein Gerücht über den Mord des achtjährigen Jungen Henryk Błaszczyk durch Juden verbreitet. Am 3. Juli kehrte er zurück und erzählte, dass er von Juden entführt wurde, die ihn töten wollten. Anschließend stellte sich heraus, dass sein Vater ihn drei Tage lang versteckte und ihm sagte, was er sagen soll. Der Grund war, jüdisches Eigentum und Geld zu bekommen. Am 4. Juli um 10.00 Uhr gingen mehr als 2000 Menschen vandalierend auf die Straße. Das Gebäude der jüdischen Kommission wurde belagert. Polizeisergeant Władysław Błachut entwaffnete Juden, die sich auf Widerstand vorbereiteten, und ließ die Randalierer ins Gebäude mit den Worten: „Die Deutschen haben sie nicht fertig gemacht – das werden wir machen“. Im Ergebnis wurden 42 Juden getötet, darunter eine schwangere Frau und Frau mit Säugling, weitere rund 30 Menschen wurden auf der Bahnstation und an der Bahnstrecke getötet. 80 Juden wurden in Kielce verletzt.
Neun Drahtzieher des Pogroms wurden zur Todesstrafe verurteilt, eine Amnestie wurde verweigert. Nach den Pogromen wanderten viele Juden aus Polen aus. Während im Mai 1946 aus Polen 3500 Juden und im Juli 8000 Juden auswanderten, waren es nach dem Pogrom im Juli 19.000 und im August 35.000 Menschen. Im Jahr 2006, zum 60. Jahrestag des Pogroms nannte der polnische Präsident Lech Kaczyński diese Ereignisse eine „riesige Schande für die Polen und Tragödie für die Juden“.
Quelle: Tadeusz Piotrowski. Postwar years // Poland's Holocaust — McFarland & Company, 1997.