Ab dem 1. Juni 1946 wird in britischen Apotheken Penicillin verkauft. In den USA geht das gefeierte Antibiotikum seit dem 15. März 1945 bereits über den Ladentisch.

Dass das Penicillium chrysogenum die Vermehrung von Staphylokokken stoppt, hatte der Schotte Alexander Fleming bereits 1928 entdeckt. Doch erst 1939 schufen der britische Pathologe und Mikrobiologe Howard Walter Florey und Ernst Boris Chain, ein Wissenschaftler mit russisch-jüdischen Wurzeln, ein nachhaltiges Medikament im Mikrobiologie-Labor der Oxford University. Damit die erhaltene Substanz bei Bombenangriffen nicht verloren ging, tränkten Florey und Chain ihre Kleidung mit Penicillin. Chain sagte damals zu seinen Mitarbeitern: „Wenn ich verwundet werde, müsst ihr zuerst mein Sakko retten.“

Am 2. Juli 1941 brachte Florey das Medikament nach New York. 13 Tage später begann ein Team unter Leitung von Professor Robert Coghill in Peoria (Illinois) mit der Entwicklung einer Technologie zur industriellen Produktion des Antibiotikums. An dieser Arbeit beteiligten sich 40 Institute, private und staatliche Stiftungen. Die Kosten für Sepsis-Behandlungen mit dem neuen Medikament sanken von 200 auf 6,5 Dollar, Gangräne konnte nun ohne Amputation vollständig geheilt werden. Die Landung in der Normandie im Juni 1944 war zuvor unter anderem wegen eines Penicillin-Mangels aufgeschoben worden. Im März 1944 wurden 40 Mrd. Dosen, im Dezember 400 Mrd. Dosen Penicillin hergestellt. Die Entwickler weigerten sich, das Medikament patentieren zu lassen.

Seit März 1945 wurde das Medikament in US-Apotheken in Form von Salben, Lotionen und Tropfen verkauft - es galt als Allheilmittel. Fleming scherzte, dass es bald Lippenstifte mit Penicillin geben würde: „Nach einem Kuss wird der Penicillin-Lippenstift vor allen unerwünschten Folgen außer der Ehe retten.“ 1945 wurden Fleming, Florey und Chain für ihre Entwicklung mit einem Nobelpreis ausgezeichnet.

Der Kalte Krieg und die direkte Diskriminierung im Handel mit der Sowjetunion werden große Hindernisse bei der Beschaffung des neuen Medikaments schaffen. Die US-Regierung verbot trotz vorläufiger Handelsabkommen mit mehreren US-Firmen den Verkauf jeglicher Erzeugnisse, die mit der Produktion von Penicillin verbunden sind, an die Sowjetunion. Britische Firmen, die von US-Unternehmen vollständig abhängig waren, verzichteten ebenfalls auf Verkäufe von Produkten, die mit Penicillin verbunden waren. 

Dann schlug Professor Chain vor, sein Patent an sowjetische Wissenschaftler zu verkaufen und die Daten zur industriellen Produktion von Penicillin preiszugeben. Der von ihm genannte Deal-Preis war um ein Vielfaches geringer als der von den britisch-amerikanischen Firmen geforderte – die Sowjetunion kaufte die Technologie im Jahr 1947 für 35.000 Pfund. Zudem gab Chain heimlich dem sowjetischen Technologen Wil Seifman die Sporen des wirksamsten Pilzes, die in dessen Jackentasche illegal außer Landes gebracht wurden. Gerade dieser Stamm bildete die Grundlage für die Produktion eines weiteren Antibiotikums in der Sowjetunion, das gegen Tuberkulose wirkt. Seifman startet 1948 in Moskau einen Testbetrieb zur Produktion des Medikaments, wurde aber 1950 wegen „Kriecherei gegenüber der bürgerlichen Wissenschaft, verbrecherischer Verbindung mit britischen Wissenschaftlern, materiellen Schadens für den Staat“ angeklagt. Kurz nach seiner Festnahme wurden Seifmans Kollegen für die Herstellung des kristallförmigen Penicillins mit dem Stalinpreis ausgezeichnet.

Quelle:

The national British Science museum: pictures and illustration. 1999.