Am 30. Mai 1946 trat der amerikanische UN-Botschafter Edward Reilly Stettinius zurück, eines der letzten Mitglieder des Regierungsteams von Franklin Roosevelt. Als Grund nannte er den Umstand, dass Präsident Truman die UNO nicht als Instrument für den Abbau der Spannungen mit der Sowjetunion nutzen wollte.
Nach Roosevelts Tod verließen die meisten von seinen Gefährten ihre Posten oder wurden entlassen. Für viele von ihnen endete das mit politischer Verfolgung. Aber Edward Stettinius blieb der wohl erfolgreichste Politiker aus dem alten Team. Zudem hatte er enge Verbindungen zu den größten US-Konzernen. So war er vor dem Zweiten Weltkrieg Vorstandschef der United States Steel Corporation gewesen - und auf solch große Unternehmen mussten auch Präsident Truman und seine Administration Rücksicht nehmen.
Unter Präsident Roosevelt war Stettinius für das Leih- und Pachtprogramm zuständig gewesen. Außerdem hatte er den US-Staatschef bei der Jalta-Konferenz 1945 als Assistent begleitet. Später wurde er noch zum US-Außenminister ernannt.
Truman aber fand Stettinius‘ Position gegenüber den Kommunisten und Moskau viel zu sanft und nutzte sozusagen die erste Gelegenheit, um ihn zu entlassen und James Byrnes, seinen alten Freund und Kollegen im US-Senat, zum neuen Außenminister zu ernennen. Stettinius bekam das Angebot, die Vereinigten Staaten in der neu gegründeten UNO zu vertreten. Als er sich auf diesem Posten aber nutzlos fühlte, reichte er sein Rücktrittsgesuch ein.
Der sowjetische Außenminister Andrej Gromyko, der sich als Botschafter in den USA und als sowjetischer Repräsentant bei der UNO mit Stettinius häufig getroffen hatte, schrieb später:
„Die Führungsposition in der US-Stahlindustrie, die ihm jahrelang gehörte, beeinflusste seinen Charakter und weitgehend auch seine Mentalität.“
Allerdings betonte er sofort, dass Stettinius „bei seinen Treffen mit sowjetischen Vertretern nie auf Gespräche über die Vorteile des privaten Unternehmertums, der amerikanischen Demokratie und des amerikanischen Lebensstils gedrängt“ hatte.
Quelle:
Andrej Gromyko. Erinnerungen. 2 Bände. M.: Politisdat, 1988.