Am 28. Mai 1946 unterzeichneten der Vertreter Frankreichs, Leon Blum, und US-Außenminister James F. Byrnes ein Protokoll zur Umsetzung des Marshallplans. Dieses Abkommen betraf vor allem die Filmindustrie.

Vor dem Ersten Weltkrieg war Frankreich klarer Marktführer in der Filmindustrie mit einem Anteil von 90 Prozent. Doch in den 1930er Jahren wurde die französische Filmindustrie faktisch von der ausländischen Konkurrenz erdrückt. Vor dem Zweiten Weltkrieg feierten die USA mit ihren Hollywood-Filmen große Erfolge; der Anteil der französischen Filme fiel auf 30 Prozent.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die französische Filmindustrie in einem miserablen Zustand und auf Investitionen und Subventionen angewiesen. Als Rettungsanker galten Einschränkungen für ausländische Filme. Doch dies entsprach nicht den Interessen Hollywoods, das weiterhin Filme in Frankreich zu Dumping-Preisen verbreitete und das Ganze einen „freien Wettbewerb“ nannte.

Die Wirtschaftslage Frankreichs war schlecht. Das Land war auf US-Hilfen angewiesen, Schulden mussten umgeschichtet und Kredite vergeben werden. Das wurde von James Byrnes, der die Interessen Hollywoods lobbyierte, ausgenutzt (nach seinem Rücktritt wurde er Berater von mehreren großen Filmstudios). Wegen der Schwäche Frankreichs gelang es den USA, einen Beschluss durchzusetzen, der Hollywood in die Karten spielte.

Laut dem Abkommen erließen die USA Frankreich Schulden in Höhe von 1,8 Mrd. Dollar und gewährten einen neuen Kredit in Höhe von 500 Mio. Dollar. Im Gegenzug musste die französische Filmindustrie noch mehr Zugeständnisse machen. Fortan wurden französische Filme in der Heimat nur in den ersten vier Wochen jedes Quartals vorgeführt. Dabei gab es keine Garantien, dass sie in den USA gezeigt werden durften. Allerdings verpflichteten sich US-Unternehmen, die Gewinne aus den französischen Kinos in die Wirtschaft des Landes zu investieren.

Leon Blum sagte: „Ich muss zugeben: Wäre es für die höchsten Interessen von ganz Frankreich notwendig gewesen, die französische Filmindustrie zu opfern, ich hätte dies ohne zu zögern getan.“

Nach dem Abschluss des Abkommens schrumpfte die ohnehin geschwächte Filmindustrie in Frankreich um weitere 50 Prozent. Die meisten Historiker betonten später, dass das Abkommen einen schweren Schlag für die Entwicklung der französischen Filmindustrie bedeutete. Nach Protesten von Intellektuellen und der Filmbranche wurde das Abkommen 1948 aufgehoben. Für die Vorführung der US-amerikanischen Filme wurde eine Sondergebühr eingeführt. Dieses Geld floss in die Förderung französischer Filmprojekte und Kinos. Heute beläuft sich diese Gebühr auf 700 Mio. Euro pro Jahr. Damit werden unter anderem die Filmfestspiele von Cannes finanziert.

Quelle:

Juri Scher. Französische Filmindustrie im Kampf um die nationale Selbstständigkeit // Französische Filmkunst. M., 1960