Am 27. Mai 1946 traf der jugoslawische Staatschef Josip Broz Tito in Begleitung einer großen Delegation zu einem Besuch in Moskau ein. Er wurde von Josef Stalin sofort im Kreml empfangen, obwohl das bis dahin eher untypisch gewesen war. Die beiden sprachen über Wirtschaftskooperation, Waffenlieferungen und die Beziehungen zwischen Jugoslawien und Albanien.

Tito wollte eine schlagkräftige jugoslawische Armee zusammenstellen und hatte zuvor von der Sowjetunion Waffen und Militärtechnik für 32 Divisionen erhalten. Für den Aufbau einer eigenen Rüstungsindustrie bekam er von Stalin Rohstoffe und Metalle zu Vorzugsbedingungen.

Dennoch waren die Beziehungen zwischen beiden Spitzenpolitikern schwierig: Am 27. Mai 1945 hatte Tito in Ljubljana erklärt: „Wir werden nicht fremde Rechnungen begleichen; wie werden keine Wechselmünze sein und wollen nicht, dass man uns in die Interessenpolitik verwickelt. (…) Das heutige Jugoslawien wird kein Abkommens- und Handelsgegenstand sein.“ Stalin beauftragte den sowjetischen Botschafter in Belgrad: „Sagen Sie dem Genossen Tito, dass, wenn er sich noch einmal so eine Eskapade gegenüber der Sowjetunion leistet, wir darauf dann mit Kritik in den Massenmedien reagieren und ihn desavouieren müssen.“ Dennoch wurde größtenteils dank der Unterstützung der Sowjetunion ein Kompromiss auf der Pariser Friedenskonferenz möglich: Der große östliche Teil der Julijska Krajina (Julisch Venetien) ging an Jugoslawien, und der kleinere westliche Teil, der den Namen Freies Territorium Triest bekam, wurde von den Vereinten Nationen unter Kontrolle genommen.

Die Beziehungen zwischen den beiden Diktatoren spannten sich bereits 1947 an: Stalin gefiel die zunehmende Popularität Titos in Osteuropa nicht. Tito formulierte sein eigenes Prinzip innerhalb der kommunistischen Bewegung, den „Titoismus“, der Unabhängigkeit von den Beschlüssen Moskaus forderte, und gründete die Bewegung der blockfreien Staaten, in der er auch die Leitung übernahm.

Quelle:

Jewgeni Matonin. Josip Broz Tito. – Moskau, Molodaja Gwardija, 2012. – S. 462.