Am 19. März 1946 lud der Rechtsanwalt Otto Stahmer den schwedischen Unternehmer Birger Dahlerus, der ein enger Freund Hermann Görings war, als Zeugen vor. Dahlerus sollte beweisen, dass Göring gegen die Entfesselung des Krieges in Europa aufgetreten wäre.
Ihre Freundschaft hatte einst mit einer Liebesgeschichte begonnen. 1921 hatte Göring eine Beziehung mit einer verheirateten Schwedin namens Carin von Kantzow. Sie verließ am Ende ihren Mann und heiratete Göring. Später arbeitete ihr Sohn Thomas in Dahlerus‘ Firma. Der Unternehmer nutzte dann die Gelegenheit, die zweite Person des Nazi-Deutschlands kennen zu lernen, der ja der Stiefvater seines Mitarbeiters war.
Historiker nennen Dahlerus einen Amateurdiplomaten. Er hatte tatsächlich Angst vor dem Krieg, wie auch viele andere Unternehmensvertreter, und bemühte sich 1939 um einen friedlichen Verhandlungsprozess zwischen London und Berlin: Er traf sich mit Hitler, mit britischen Politikern und Diplomaten, mit den Botschaftern Großbritanniens und Polens in Berlin. Seine „Suche nach Frieden“ bekräftigte er mit dem Überreichen von angeblichen geheimen Informationen und Dokumenten sowie mündlichen Initiativen.
Es gibt allerdings auch eine Version, der zufolge Birger Dahlerus der persönliche Vertreter Hermann Görings gewesen sein und auf seine Bitte gehandelt haben könnte.
Die diplomatische Mission Dahlerus‘ ist jedoch gescheitert: Nach dem deutschen Überfall auf Polen trat Großbritannien sofort in den Krieg ein.
Stahmer lud Dahlerus also vor, um seinen Mandanten Göring möglichst positiv dastehen zu lassen. Aber der Schwede konnte ihm am Ende nicht helfen.
„Stahmer: Hat Ihnen jemand gesagt, dass Göring der einzige Mann auf der deutschen Seite war, der imstande wäre, den Krieg zu verhindern?
Dahlerus: Ich persönlich hatte den Eindruck, dass Göring Mitglied der deutschen Regierung war, das am wahrscheinlichsten im Interesse des Friedens arbeitete.
(…)
David Maxwell-Fyfe, der stellvertretende Chefankläger Großbritanniens:
(…) Hat Ihnen Göring vielleicht gesagt, als man Sie nach London entsandte, dass es wünschenswert wäre, lediglich eine britische Einmischung zu verhindern?
(…)
Dahlerus: Überhaupt nicht.
(…)
Maxwell-Fyfe: Haben Sie gesagt: ‚Dann verstand ich, es war am 26. September, dass sein – also Görings – Ziel darin bestand, Polen und Großbritannien zu spalten und Polen zu besetzen – auf Zustimmung Großbritanniens?
Dahlerus: Ja, das ist richtig. Aber ich muss sagen, dass dies das Ziel der deutschen Regierung, auch Görings, war.“
Am Ende haben Dahlerus‘ Aussagen dem „Nazi Nummer zwei“ nur noch mehr geschadet. Bei dem Verhör wurde festgestellt, dass Görings Ziel gewesen war, nicht den Krieg zu verhindern, sondern Großbritannien zur Nichteinmischung in den Konflikt zwischen Deutschland und Polen zu überreden.
Quelle: Sergej Miroschnitschenko. „Stenogramm der Sitzung des Internationalen Militärgerichtshofs“, Band VIII