Als bei den Nürnberger Prozessen die Angeklagten ins Kreuzverhör genommen wurden, wurde der Anklage klar, dass die Nazi-Verbrecher einige Themen für ihre Ziele nutzen werden, die die Siegermächte nicht erörtern möchten. Für die Regierungen Großbritanniens und Frankreichs war es äußerst unvorteilhaft, die „Münchner Absprache“, für die Sowjetunion den Molotow-Ribbentrop-Pakt zum Thema zu machen. Die Amerikaner wollten keine Diskussion über die Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki. Viele weitere unerwünschte Fragen standen noch auf der Liste.

Am 8. März 1946 wandte sich Robert Jackson an die Ankläger Großbritanniens, Frankreichs und der Sowjetunion mit einem Schreiben. Er erinnerte an eine Sitzung der Chefankläger am 9. November 1945, wo die Möglichkeit politischer Aktionen vonseiten der Verteidigung besprochen wurde, und mahnte, dass beschlossen wurde, dass „wir alle gegen diese Aktionen kämpfen werden, weil sie mit der Frage nichts zu tun haben“. Der US-Chefankläger schlug den Kollegen vor, Memorandi zu erstellen, in denen unerwünschte Fragen angegeben werden.

Am 17. März antwortete der sowjetische Chefankläger Roman Rudenko auf das Schreiben:

Rudenko an Jackson:

„Als Antwort auf den in Ihrem Brief ausgedrückten Wunsch führe ich eine ungefähre Liste der Fragen an, die nach angegebenen Gründen aus der Besprechung entfernt werden sollen. 1. Die Fragen, die mit der gesellschaftspolitischen Ordnung der Sowjetunion verbunden sind. 2. Außenpolitik der Sowjetunion. a)sowjetisch-deutscher Nichtangriffspakt 1939 und Fragen, die damit verbunden sind (Handelsvertrag, Aufstellung der Grenzen, Verhandlungen u.a.). b) Ribbentrops Moskau-Besuch und Verhandlungen im November 1940 in Berlin c) Balkan-Frage d) sowjetisch-polnische Beziehungen f) die sowjetischen baltischen Republiken.“

Uneindeutige politische Beschlüsse der Länder der Anti-Hitler-Koalition wurden jedenfalls in der Presse und im Publikum diskutiert. Doch die Entfernung dieser Themen aus dem Nürnberger Prozess ließ Debatten vermeiden, die mit den Zielen des Gerichtshofs nicht verbunden waren und die Verteidigung nicht daran hinderte, ihrer Arbeit nachzukommen.

Quelle:

Boris Chawkin „Rassismus und Antisemitismus in Hitler-Deutschland“