Am 23. Januar 1946 präsentierte der US-amerikanische Ankläger Drexel Sprecher dem Gericht die Beweise der persönlichen Verantwortung des Angeklagten Fritzsche, des ehemaligen Leiters der Funkabteilung im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP). Unter anderem verfügte die Anklage über Fritzsches eidesstattliche Versicherung vom 7. Januar 1946 und 32 Seiten mit aufgezählten Beweisen. „Das Buch der Unterlagen ist relativ klein“, betonte Sprecher.
Der Grund, warum Hans Fritzsche auf der Anklagebank in Nürnberg gelandet war, bestand darin, dass es nach dem Selbstmord Joseph Goebbels‘ keine Person mehr gab, die die Alliierten stellvertretend für das RMVP vor Gericht stellen konnten. Und Fritzsche war als einer der führenden Mitarbeiter der „unglaublichsten Lügenfabrik, die es je gegeben hatte“, tatsächlich oft im Rundfunk aufgetreten. Laut der Anklage hatte er dabei die Außenpolitik des Dritten Reiches, die die aggressiven Kriege im Westen und Osten betraf, positiv beleuchtet. Angesichts dessen war er nach Auffassung der Ankläger mitschuldig an den im Schuldspruch aufgezählten Kriegsverbrechen. So hatte Fritzsche im Juni 1941 erklärt, Deutschland hätte die Sowjetunion quasi vorbeugungsweise angegriffen, und dadurch Millionen von seinen Mitbürgern irritiert. Nach seinen Worten hätte nur Hitlers Entscheidung zu einem rechtzeitigen Schlag (gegen die Sowjets) Deutschland vor einer Invasion „dieser Untermenschen“ gerettet.
In der Gerichtsverhandlung räumte Sprecher ein, dass es keine Beweise für Fritzsches Schuld an Massenmorden an friedlichen Zivilisten gab, „aber es genügt, wenn wir uns mit der Frage befassen, wie schwerer es den Verschwörern ohne Fritzsches Anstiftung gefallen wäre, Bedingungen zu schaffen, unter denen die Vernichtung von Millionen Menschen im Osten möglich wurde“.
In seinem Abschlusswort sagte Hans Fritzsche: „Wer nach Auschwitz die Rassenpolitik immer noch befürwortet, hat sich selbst schuldig gemacht.“ Am 1. Oktober 1946 wurde der Angeklagte Fritzsche vom Nürnberger Tribunal freigesprochen.
Vier Monate später, im Februar 1947, wurde Fritzsche vor das Nürnberger Gericht für Entnazifizierung gestellt und zu neun Jahren Haft wegen Propaganda des Antisemitismus verurteilt. 1950 wurde er allerdings amnestiert.
Quelle:
Nürnberger Prozess: Unterlagensammlung in acht Bändern. Band 6. Zur persönlichen Verantwortung der größten Nazi-Kriegsverbrecher.
Enzyklopädie des Holocaust. Bewertung der Schuld