Gericht wird Befehl über Verbot von Rettung der Opfer des U-Boot-Kriegs vorgelegt
Auf der morgendlichen Sitzung am 14. Januar 1946 begann der britische Ankläger Henry Phillimore mit dem Verlesen der Beweise für die individuelle Schuld des Angeklagten Karl Dönitz. Dem Großadmiral und dem ehemaligen Oberbefehlshaber der deutschen Kriegsflotte wird eine verbrecherische Verschwörung und Machteroberung durch die Nazis, Aggression gegen Norwegen, Dänemark, Polen vorgeworfen. Hinzu kommen Kriegsverbrechen – Vernichtung von Handels- und Passagierschiffen, auch von neutralen Ländern.
Im Dezember 1939 erteilte Dönitz den Befehl Nr. 154 über die Taktik eines unbeschränkten Unterwasser-Kriegs. Im Befehl steht geschrieben, sich der Rettung von Besatzungsmitgliedern und Passagieren von torpedierten Schiffen zu enthalten. Ankläger Phillimore las vor dem Tribunal einen Abschnitt aus dem Dokument vor:
„Paragraph (e). Holen Sie die Geretteten nicht ab. Kümmern Sie sich nicht um die Rettungsboote der Handelsschiffe. Die Wetterverhältnisse und Entfernung von der Küste spielen dabei keine Rolle. Kümmern Sie sich nur um das eigene Schiff und kämpfen Sie nur darum, schnellstmöglich den nächsten Erfolg zu erreichen. Wir müssen in diesem Krieg hart sein. Der Feind begann den Krieg, um uns zu vernichten. Deswegen ist alles andere nicht von Bedeutung.“
Der Aufruf von Admiral Dönitz widerspricht dem zweiten internationalen Londoner Seevertrag über die Einschränkung von Marinewaffen, das Deutschland 1936 unterzeichnet hatte. Laut dem Vertrag „sollen U-Boote bei Aktionen gegenüber Handelsschiffen die Völkerrechtsregel, denen diese Schiffe unterliegen, befolgen. Außer bei Fällen des beharrlichen Verzichts bei Forderungen nach Halt bzw. Widerstand bei Besuchen bzw. Durchsuchung darf ein Kriegsschiff – ob Schiff oder U-Boot, nicht ein Handelsschiff versenken bzw. außer Betrieb setzen, ohne die Passagiere, die Besatzung und Schiffsdokumente zuvor zu einem sicheren Ort gebracht zu haben. In diesem Sinne können Rettungsboote nicht als sicherer Ort betrachtet werden, wenn die Sicherheit der Passagiere und Besatzung angesichts der Bedingungen auf dem Meer, Wetterverhältnisse, Nähe der Küste bzw. Vorhandensein eines anderen Schiffs, das sie an Bord nehmen könnte, nicht garantiert werden kann“.