Amerikaner verweigern Festnahme von Hitlers Großindustriellen.

Die Abteilung für die Ermittlung der Aktivitäten deutscher Kartelle im Ausland, die beim US-Kriegsministerium funktionierte, warf dem Kommando der amerikanischen Besatzungskräfte vor, Verfügungen des Kontrollrats zur Festnahme von deutschen Industriellen zu ignorieren.

Der Vizechef der Abteilung für Ermittlung der Aktivitäten deutscher Kartelle, Russell Nixon, behauptete in einem Interview für die Nachrichtenagentur Associated Press, dass die Administration der amerikanischen Besatzungszone in Berlin Mitleid mit deutschen Industriellen empfunden hätte. Das berichtete die sowjetische Nachrichtenagentur TASS am 31. Dezember 1945.

Die besagte Abteilung war am 12. September 1945 gegründet worden, um die Aktivitäten deutscher Kartelle, Syndikate, Trusts und der anderen wirtschaftlichen Institutionen in und auch außerhalb von Deutschland zu ermitteln bzw. ihren Umfang  herauszufinden. Auf Verordnung des Kontrollrats sollten alle Industriebetriebe, die mit Hitler kooperiert hatten, liquidiert und ihre Leiter zur Verantwortung gezogen werden.

Im Dezember 1945 wurden neun leitende Mitarbeiter des riesigen Chemieunternehmens „Interessengemeinschaft Farbenindustrie“ verhört und freigelassen. Nixon zufolge war das unter dem Druck der US-Besatzungskräfte auf seine Abteilung passiert. Lucius Clay, der Verwaltungschef der US-Besatzungszone in Deutschland, behauptete seinerseits, von diesem Zwischenfall erst später erfahren zu haben, und ergänzte, dass mindestens zehn weitere Vertreter der Leitung des erwähnten Trusts in Haft geblieben seien.

Die „I.G. Farbenindustrie“ hatte sich in den Kriegsjahren an der Festigung der Militärkraft Deutschlands intensiv beteiligt, beutete KZ-Häftlinge aus, und eine von ihren Tochterfirmen produzierte das Pestizid „Zyklon-B“, mit dem KZ-Häftlinge in Gaskammern getötet wurden. Ein Tribunal, das sich mit dem Fall der „I.G. Farbenindustrie“ beschäftigen sollte, wurde am 8. August 1947 eingerichtet. 13 Angeklagte wurden dabei verurteilt und weitere zehn freigesprochen.
 
Quellen:

Zeitung „Prawda“ Nr. 1 (10083) vom 1. Januar 1946

Zeitung „New York Times“ Vol. XCV Nr. 32, 117 vom 30. Dezember 1945