Nazi-Besatzer töten 1,5 Mio. friedliche Zivilisten im Baltikum

Welche Zukunft Hitler für die baltischen Sowjetrepubliken sah und wie die Besatzungsbehörden diese Pläne in die Praxis umsetzen, darüber berichtet der litauische Historiker, Vorsitzender des „Instituts des Kriegserbes“, Ehrenmitglied der Akademie der Militärwissenschaften Russlands und Exekutivdirektor des Projekts „Gedenkbuch. Europa“ Jurius Traksialis.

Die Eroberungspläne des deutschen Imperialismus für Osteuropa, darunter das Baltikum, waren bereits kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts ausgearbeitet worden. Hitler entwickelte diese Pläne weiter, davon zeugen mehrere Äußerungen und programmatische Dokumente des Nazis.

Nach der Machtübernahme 1933 erklärte Hitler die „Eroberung neuen Lebensraums im Osten und dessen rücksichtslose Germanisierung“ zum außenpolitischen Ziel. In einem Gespräch mit dem ehemaligen Senatspräsidenten der Freien Stadt Danzig Hermann Rauschning nannte er unter den Staaten, die künftig als Vasallen Großdeutschland beitreten sollten, unter anderem auch die baltischen Republiken.

Ähnliche Ideen wurden von Hitler in den darauffolgenden Jahren formuliert. Im April 1938 sagte er in einem Gespräch mit dem deutschen Botschafter in Italien, Hans Georg von Mackensen, dass das Baltikum neben dem Sudetenland dem Deutschen Reich einverleibt werden solle. Dass die Eroberungspläne für das Baltikum im faschistischen Deutschland bereits vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs existierten, wird durch zahlreiche Materialien der Nürnberger Prozesse bestätigt.

Nach dem Angriff des faschistischen Deutschlands auf die Sowjetunion ließ Heinrich Himmler einen Plan für die Umgestaltung der besetzten Gebiete der Sowjetunion konzipieren. Am 28. Mai 1942 formulierte SS-Oberführer Konrad Meyer-Hetling seine Ideen im „Generalplan Ost“, der ein Konzept für die rechtliche, wirtschaftliche und räumliche Neuordnung des Ostens enthielt.

Einen wichtigen Platz im Generalplan Ost nahmen die Fragen zum Baltikum ein. Hitlers Vertreter betrachteten Esten, Letten und Litauer als „kleine Steine“ und behandelten sie äußerst feindselig. Dies veranschaulicht überzeugend die gesamte Besatzungspolitik der deutsch-faschistischen Eroberer im Baltikum.

Auch der renommierte US-Historiker Alexander Dallin kommt zu diesem Schluss. Er weist darauf hin, dass Hitlers Vertreter in den baltischen Völkern alles Mögliche sahen, aber keine Verbündeten.

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Die Verfasser des Generalplans Ost schlugen vor, nur einen Teil der baltischen Bevölkerung zu germanisieren, der rassenideologisch vollwertig für Deutschland war – also nur Balten, bei denen die Merkmale der nordischen Rasse eindeutig dominierten. Laut Dokumenten wollten die deutsch-faschistischen Besatzer alle Esten, Letten und Litauer vertreiben, die den Anforderungen der nordischen Rasse nicht entsprachen. Sie sollten durch die Ansiedlung deutscher Kolonisten ersetzt werden. Unter den Esten und Letten soll es viele Menschen mit Merkmalen der ostbaltischen Rasse gegeben haben, weshalb sie für die Germanisierung kaum in Frage kamen. Die Litauer, Setu in Estland und Lettgallen in Lettland wurden überhaupt als untauglich für die Germanisierung eingestuft.

Bestätigung fand dies durch die Verbrechen gegen die Humanität, verübt durch die deutsch-faschistische Besatzer und ihre Helfershelfer im Baltikum. Als Beispiel der Gräueltaten in Litauen dient die Tatsache, dass bereits am zweiten Tag nach Kriegsbeginn, am 23. Juni 1941 im Dorf Ablinga deutsche Soldaten 42 Menschen, die sich auf eine Hochzeit vorbereiteten, erschossen.

Ein anschauliches Beispiel der Vernichtung der Litauer war die Tragödie vom 3. Juni 1944, als die Nazis die Einwohner des Dorfes Pirčiupiai ermordeten. In neun brennenden Holzhäusern starben 119 unschuldige Menschen, darunter Kinder und Säuglinge. Insgesamt wurden in den Kriegsjahren in Litauen von den Nazis und ihren Helfershelfern 21 Dörfer niedergebrannt.

Ein Beispiel des unmenschlichen Verhaltens von Hitlers Schergen gegenüber den Einwohnern Lettlands ist eines der grausamsten Massaker gegen Zivilisten in der Region Latgale, im Dorf Audrini. Im Dezember 1941 fanden die deutschen Besatzer heraus, dass sich in dem Dorf Rotarmisten versteckt hielten. Alle 235 Dorfbewohner, einschließlich Frauen und Kinder, wurden am 3. Januar 1942 erschossen. Das Dorf wurde dem Erdboden gleichgemacht.

Fast 1,5 Mio. friedliche Sowjetbürger wurden in den Jahren der deutschen Besatzung im Baltikum getötet. Bekannte Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Kultur, Priester, politische Größen wurden zu Tode gequält. Fast vollständig wurde die jüdische Bevölkerung ausgelöscht. Unter den überlebenden Sowjetbürgern nach den Jahren der Besatzung waren Tausende behinderte und traumatisierte Menschen, die sich in Hitlers KZ-Lagern, Gestapo-Gefängnissen und zur Zwangsarbeit in Deutschland befunden hatten.

Um den Tag der Vergeltung des Volkes im Gedenken an die Einwohner des sowjetischen Baltikums zu bewahren, wurde 1946 vom Verlagshaus des Allrussischen Verbandes der proletarischen Schriftsteller der Stadt Riga ein Sammelbuch von Dokumenten auf der Grundlage des Rigaer Prozesses herausgegeben.