Wilhelm Keitel und Alfred Jodl – Hitlers willige Vasallen in der Wehrmacht
Hitlers Verhältnis zu den Top-Militärs Deutschlands war nicht immer einfach. Berufsoffiziere, die in den Traditionen Kaiser-Deutschlands groß wurden, misstrauten dem österreichischen Gefreiten. Viele hassten offen den Führer. Hitler stieß mehrmals auf Widerstand der Generäle – von stiller Sabotage bis hin zum blutigen Attentat. Doch es gab Generäle, die zum Pfeiler für das Nazi-Regime und zu großen Kriegsverbrechern wurden. Zwei von ihnen - Wilhelm Keitel und Alfred Jodl - unterzeichneten die Kapitulation Deutschlands und wurden vor den Militärgerichtshof in Nürnberg gestellt.
Aus dem Graben in den Hauptstab
Wilhelm Bodewin Johann Gustav Keitel wurde am 22. September 1882 in der Familie eines Gutsbesitzers aus Braunschweig geboren. Er war sechs Jahre, als seine Mutter starb. Schon mit neun Jahren träumte er von einer Militärkarriere. 1900 ließ sein Vater ihn in das Niedersächsische Feldartillerie-Regiment Nr. 46 anmelden, das unweit ihres Hauses stationiert war. Nach dem Abitur begann er dort seine Karriere als Fahnenjunker. Ein Jahr später wurde er zum Leutnant ernannt, bekam Militärausbildung. 1909 heiratete er. Alle drei Söhne folgten dem Vater und entschieden sich ebenfalls für eine Militärkarriere.
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Am Anfang des Ersten Weltkriegs diente Oberleutnant Keitel an der Westfront, wurde schwer verletzt. Bereits 1914 wurde er mit Eisernen Kreuzen der beiden Klassen ausgezeichnet, später bekam er weitere zehn deutsche Orden und einen österreichischen. Am Kriegsende war er Erster Generalstabsoffizier des Marinekorps Flandern.
Seit Oktober 1929 diente Keitel im Reichswehrministerium: im Oktober 1935 wurde er zum Chef der Wehrmachtamtes im Reichswehrministerium berufen. Im November 1937 legte Hitler auf einer Sitzung mit Militärs seine expansionistischen Pläne für Europa dar. Der alte Freund Keitels, Reichswehrminister Werner von Blomberg und andere Feldherren wagten es, zu widersprechen – ihres Erachtens war Deutschland nicht auf den Krieg vorbereitet. Doch Hitler hörte nicht auf sie und beschloss, sie loszuwerden. Gleichzeitig ändert sich die Struktur der Militärführung. Am 4. Februar 1938 wurde das Reichswehrministerium als selbstständiger Dienst aufgelöst, stattdessen wurde das Oberkommando der Wehrmacht eingerichtet, das persönlich Hitler unterstellt war. Der Stab des Oberkommandos wurde von Keitel geleitet. Bis zur Auflösung des Dritten Reichs blieb er die wichtigste Person in der Wehrmacht.
„Lakeitel“
Beim Verhör in Nürnberg sicherte Wilhelm Keitel zu, dass die Ernennung zum Leiter des Oberkommandos der Wehrmacht für ihn eine Überraschung gewesen sei. Doch ohne seine Beteiligung wurde keine Militärkampagne Hitlers organisiert.
Im September 1939 griff Nazideutschland Polen an, nach weniger als einem Monat wird der Sieg errungen. Für diese Kampagne wurde Keitel mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet. „Die vorrangige Rolle Keitels bei der Vorbereitung der Aggression gegen Polen ist vollständig bewiesen“, betonte der britische Anwalt G.D. Roberts, der vor dem Gerichtshof über die persönliche Verantwortung Keitels und Jodls berichtete.
Im Juli 1940 schlägt das Dritte Reich Frankreich zusammen, Keitel wird Generalfeldmarschall. Die Idee der Französischen Kampagne selbst gefiel ihm nicht, er wehrte sich dagegen sowie gegen die Pläne des Angriffs auf die Sowjetunion. Beide Male wollte Keitel zurücktreten, doch Hitler nahm seinen Rücktrittsantrag nicht an. Trotz seiner Nichtzustimmung diente er weiterhin Hitler ergeben – ließ Befehle über einen geheimen Mord an französischen Kriegsherren erteilen, billigte das Unternehmen Barbarossa über den Angriff auf die Sowjetunion. Er bekam den Beinamen „Lakeitel“ und „Nickesel“.
„Keitel als Leiter des Oberkommandos der Wehrmacht und Jodl als Leiter des Wehrmachtführungsstabs waren mit jedem einzelnen Akt der Aggression eng verbunden, die gegen verschiedene Opfer der Nazi-Aggression kontinuierlich erfolgten“, so Roberts. Ihm zufolge spielte Keitel bei allen Akten der Aggression eine wichtige Rolle und ging als rechte Hand Hitlers vor, indem er die Wehrmacht leitete.
Obwohl er mit den Plänen und Beschlüssen des Führers oftmals nicht einverstanden war, unterzeichnete Keitel verbrecherische Dokumente – der Befehl „über die Anwendung der verbrecherischen Gerichtszuständigkeit bei Barbarossa“ vom 13. Mai 1941, der einen erbarmungslosen Kampf gegen den Widerstand in der Sowjetunion erklärte, und der Befehl über die Kommissare vom 6. Juni 1941, der die Erschießung der gefangenen Juden und politischen Mitarbeitern vor Ort, ohne Gericht und Untersuchung vorsah. Am 16. September 1941 setzte der Leiter des Oberkommandos der Wehrmacht seine Unterschrift im Befehl über die Erschießung der Gefangenen im Osten – für den Mord an einem Soldaten mussten 50 bis 100 Kommunisten getötet werden. Am 16. Dezember 1942, auf dem Höhepunkt der Gegenoffensive der sowjetischen Truppen bei Stalingrad, wurde der Befehl zum Kampf gegen die Partisanen erteilt. Die deutschen Soldaten trugen nun keine strafrechtliche Verantwortung mehr, sie durften jedes Mittel uneingeschränkt gegen Frauen und Kinder anwenden. Keitel erlaubte SS-Reichsführer Heinrich Himmler, ethnische Säuberungen auf dem besetzten sowjetischen Territorium durchzuführen. Er befahl, die Piloten des französischen Jagdregiments Normandie-Njeman nicht als Gefangene einzustufen und sie vor Ort hinzurichten.
„Es ist bekannt, dass die Angeklagten Keitel und Jodl von offiziellen Rechtsberatern darüber informiert wurden, dass die Befehle über die Brandmarkung der russischen Kriegsgefangenen, Fesselung der britischen Kriegsgefangenen und Hinrichtung der gefangenen ‘Kommandos‘ eindeutige Verletzungen des Völkerrechts waren“, hob der US-Chefankläger Robert Jackson in Nürnberg hervor.
Im September 1942 widersprach Keitel letztmalig Hitler. Der Führer wütete damals gegen Generalfeldmarschall Wilhelm List, der Woroschilowsk (heute Stawropol) und Krasnodar einnahm und die Fahne des Dritten Reichs auf dem Elbrus hisste, aber nicht zum Kaspischen Meer vordringen konnte. Keitel versuchte, List zu schützen, indem er auf seine Erfolge hinwies, doch Hitler schickte jenen trotzdem in die Reserve.
Danach machte sich Keitel nicht mehr stark für die Kameraden in der Wehrmacht. Als am 20. Juli 1944 in der Wolfsschanze eine Bombe explodierte und Hitler wie durch ein Wunder am Leben blieb, half er ihm als erster und brachte ihn aus dem Gebäude. Die Verschwörung der deutschen Generäle, die die Nazis von der Macht entfernen wollten, wurde aufgedeckt und grausam unterdrückt. Keitel beteiligte sich persönlich an den Sitzungen des Ehrengerichts, wobei er viele Kriegsherren vor den durch Hitler eingerichteten Volksgerichtshof setzte.
Unterzeichner der Kapitulation
Doch der Krieg wurde trotzdem verloren, der Feldmarschall wusste dies. Er beobachtete, wie sowjetische und westliche Truppen immer näher heranrückten, nach Deutschland einmarschierten. Er war Augenzeuge der Kämpfe um Berlin, des Selbstmordes Hitlers und Goebbels und der Flucht der Führungsriege. Er sah, wie rote Fahnen auf dem Reichstag gehisst wurden.
In der Nacht auf den 9. Mai 1945 unterzeichnete Keitel in Karlshorst einen weiteren Akt über die bedingungslose Kapitulation Deutschlands. Im Unterschied zur ersten Kapitulation, die am Vortag durch westliche Alliierten angenommen worden war, spielte die erste Geige auf der Zeremonie der Vertreter der Sowjetunion – Befehlshaber der 1. Weißrussischen Front, Marschall Georgi Schukow. Danach organisierten die Sieger ein feierliches Essen.
„Nach der Unterzeichnung stand Keitel vom Tisch auf, zog den rechten Handschuh an und versuchte erneut, mit militärischer Attitüde zu prahlen, schaffte es aber nicht und setzte sich still an seinen Tisch“, erinnerte sich Schukow. „Um 0.43 Uhr am 9. Mai 1945 wurde die Unterzeichnung des Aktes der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands abgeschlossen. Ich schlug der deutschen Delegation vor, den Saal zu verlassen … Im Namen des sowjetischen Obersten Kommandos gratulierte ich herzlich allen Anwesenden zum lang erwarteten Sieg. Im Saal wurde es unglaublich laut. Alle gratulierten einander, schüttelten sich die Hände. Viele hatten Freudentränen in den Augen.“
Bereits vier Tage später wurde Keitel als Wehrmacht-Chef festgenommen. Im Herbst wurde er vor den Internationalen Militärgerichtshof gestellt, wo gegen ihn Klage in allen vier Punkten erhoben wurde – Verschwörung gegen die Welt, Vorbereitung und Durchführung des Krieges, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Humanität.
Kriegsplaner Jodl
Die zweitwichtigste Person in der Wehrmacht war Alfred Josef Ferdinand Jodl.
Er wurde am 10. Mai 1890 in Würzburg in der Familie eines Artillerie-Kommandeurs a.D. geboren. Er kämpfte im Ersten Weltkrieg, wurde verwundet, erhielt Auszeichnungen. Er zwar zweimal verheiratet (das zweite Mal kurz vorm Zusammenbruch des Dritten Reichs), die beiden Ehen blieben kinderlos.
Nach dem Ersten Weltkrieg diente Jodl wie Keitel in der Reichswehr. 1935 wurde er in die Abteilung Landesverteidigung im Wehrmachtführungsamt versetzt. Am 1. Juli wurde er zum Chef dieser Abteilung ernannt – das waren die neuen Streitkräfte des Dritten Reichs.
„Jodl wusste von den Plänen zur Wiederbesetzung des Rheingebiets, was dem Versailler Vertrag widersprach … und er war selbst an diesem Ereignis beteiligt“, so Roberts. Er behauptete auch, dass Keitel und Jodl eine ziemlich wichtige Rolle spielten, beinahe die vorrangige Rolle bei der Ausübung des Angriffs auf die Tschechoslowakei, der zur Unterzeichnung des Münchner Pakts führte.“
Am 1. April 1939 wurde Jodl zum Generalmajor ernannt und nach Berlin gerufen, wo er im Oberkommando der Wehrmacht die Leitung einer operativen Abteilung übernahm. Im August 1940 wurde diese Abteilung in den Wehrmachtführungsstab umbenannt.
Jodl leitete den Stab bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Laut Roberts schuf Jodl im Oberkommando auch einen Stab, der für die Planung der Angriffe auf Norwegen und Dänemark zuständig war. Und der Einmarsch in den Niederlanden und Luxemburg erfolgten in gleichem Maße unter der Leitung Keitels, der dabei von Jodl unterstützt worden sei, so Roberts. Der britische Anwalt hielt auch die Beteiligung der beiden Angeklagten an den Überfällen auf Griechenland und Jugoslawien für eine bewiesene Tatsache.
„Es bestehen keine Zweifel daran, dass alle diesen bösartigen Pläne im bösartigen Kopf Hitlers entstanden, doch er konnte sie nicht alleine umsetzen. Er brauchte dazu Menschen, die beinahe ebenso amoralisch waren und keine Mittel scheuten, wie er selbst“, so Roberts. Dabei sagte er, dass Jodl an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Humanität deutlich weniger als Keitel teilnahm, „weil er nicht bevollmächtigt war, Befehle und Anordnungen zu erteilen“. Es wurde an den Befehl vom 28. Oktober 1944 erinnert, alle Einwohner Nordnorwegens zu evakuieren und ihre Häuser zu verbrennen, damit sie nicht den Russen Hilfe leisten können.
Nach der Frankreich-Kampagne wurde Jodl zum Generalleutnant ernannt, im Januar 1944 wurde er Generaloberst. Während des gesamten Weltkriegs war er die rechte Hand Keitels, obwohl der Einfluss des Oberkommandos der Wehrmacht geringer wurde – nach der Niederlage bei Moskau im Dezember 1941 übernahm Hitler persönlich die Leitung des untergeordneten Oberkommandos des Heeres.
Während des Anschlags auf Hitler am 20. Juli 1944 waren Jodl und Keitel beim Treffen in der Wolfsschanze. Jodl wurde verwundet und bekam eine Auszeichnung. Zusammen mit Keitel hielt er Hitler die Treue, doch er wusste, dass der Krieg verloren ist. Wenn die Armee keine Reserven mehr habe, habe der Kampf bis zum letzten Soldaten keinen Sinn, schrieb er in seinem Tagebuch kurz vor der Einnahme Berlins. Doch dieses Thema war in Nazideutschland ein Tabu, und Jodl schwieg.
Doch es war gerade er, der am 7. Mai mit Genehmigung des neuen Präsidenten des Dritten Reichs, Karl Dönitz, in Reims die Kapitulation Deutschlands unterzeichnete. Josef Stalin beharrte damals auf einer erneuten Unterzeichnung – nach seiner Überzeugung sollte die Kapitulation in der Hauptstadt des Dritten Reichs erfolgen, und die Hauptrolle dabei sollte die Sowjetunion spielen.
Am selben Tag wurde Jodl mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet.
Das war seine letzte Auszeichnung. Am 23. Mai 1945 wurde er mit den anderen Mitgliedern der Regierung Dönitz‘ in Flensburg festgenommen. In Nürnberg wurde gegen Jodl Anklage in allen vier Punkten erhoben. Er war ein Mensch, der „im strikten militärischen Sinne … de facto den Krieg plante und in großem Maß für die Strategie und Führung der Operationen verantwortlich ist“.
Quellen:
- Stenogramm der Nürnberger Prozesse. Band I, IV / Übersetzt aus dem Englischen von Sergej Miroschnitschenko
- Oleg Wischlew. Wilhelm Keitel / Große Russische Enzyklopädie
- Georgi Schukow. Erinnerungen und Gedanken
- Günther Just. Alfred Jodl Soldat ohne Furcht und Tadel
- Guido Knopp. Die Wehrmacht (Eine Bilanz)
- Nürnberger Prozesse (Sammelband) / Redaktion von K. Gorschenin (Chefredakteur), R. Rudenko und I. Nikitschenko, Band 2