Ankläger werden Nazis wegen ihrer eigenen Dokumente überführen

Den ganzen 21. November verbrachte der US-amerikanische Chefankläger Robert Jackson auf den Beinen – meistens am Rednerpult. Er las die Einführungsrede vor, in der er im Allgemeinen schilderte, was er und sein Team weiter tun wollten, wie die Beweislage war (dank der Gewohnheit der Teutonen, alles zu Protokoll zu nehmen, mangelte es nicht an Dokumenten) usw. Während die Angeklagten vor der Einführungsrede Jacksons noch gedacht hatten, die Anklage würde keine vollwertigen Beweise ihrer Schuld finden oder könnte diese nicht rechtzeitig vorbereiten, sind ihre Hoffnungen an jenem Tag geplatzt. Während der Pause und am Abend waren sie ungewöhnlich offen mit dem Psychologen Gustave Gilbert. Aber alle außer vielleicht Göring behaupteten, sie wären erschrocken davon, was sie gehört hatten, und versuchten, sich zu rechtfertigen.

Kein vergifteter Kelch für die Angeklagten!

Jackson: Vor weniger als acht Monaten war dieser Saal eine feindliche Festung, wo die SS-Truppen das Sagen hatten. Vor weniger als acht Monaten waren fast alle unsere Augenzeugen und Unterlagen noch in den Händen des Feindes. Das Gesetz war nicht kodifiziert, Gerichtsverfahren waren noch nicht festgelegt, der Gerichtshof wurde noch nicht gegründet. Fast alle hier anwesenden Angeklagten genossen die Freiheit, und die vier Großmächte, die dieses Gerichtsverfahren eingeleitet haben, hatten sich noch nicht für das gemeinsame Gericht gegen die Angeklagten vereinigt.

Wir dürfen für keine einzige Minute vergessen, dass anhand der Protokolle des Gerichtsprozesses, in dessen Rahmen wir diese Personen heute verurteilen, die Geschichte sie selbst verurteilen wird. Wenn wir den Angeklagten einen vergifteten Kelch geben würden, würde das bedeuten, dass wir ihn auch an unseren Mund setzen. Wir müssen eine solche Unvoreingenommenheit und Einigkeit unserer geistigen Wahrnehmung erreichen, dass dieser Prozess zu einem Beispiel für künftige Generationen wird, wie sie die Hoffnungen der Menschheit auf die Justiz praktisch in Erfüllung bringen sollten.

Wir verlangen nicht, dass Sie diese Menschen nur aufgrund der Aussagen ihrer Feinde verurteilen. In der Anklageschrift gibt es kein einziges Kapitel, das nicht mit Büchern und Unterlagen bewiesen werden könnte. Die Deutschen haben generell immer ihre Dokumente gründlich zusammengefasst und aufbewahrt, und auch die Angeklagten teilten diese Neigung der Teutonen, alle ihre Handlungen auf dem Papier ausführlich darzulegen. Zudem hatten sie eine gewisse Eitelkeit und verewigten ihre Taten auf den Fotos. Wir zeigen Ihnen ihre eigenen Kinofilme. Sie werden Augenzeugen ihrer Taten und hören die Stimmen dieser Angeklagten.

Deutschland – das erste Opfer der Nazis

Jackson: Man könnte keinen noch größeren Fehler machen, als die Nazi-Partei den organisatorisch „verschwommenen“ Gruppierungen gleichzusetzen, die wir, Vertreter der westlichen Welt, als politische Parteien bezeichnen. Das war ein Verschwörungs- und Gewaltinstrument. Die Partei wurde organisiert, um die Macht zu ergreifen, und zwar wider den Volkswillen.

In der NSDAP herrschte im Sinne des Führungsprinzips die eiserne Disziplin. Das war eine Art Pyramide mit dem Führer Adolf Hitler an der Spitze. Unter ihm standen zahlreiche Leiter – Leiter der riesigen Parteimitgliedschaft, die ihrerseits die Basis der Pyramide bildete. Die NSDAP-Mitglieder legten den Eid auf die Partei ab, wobei sie im Grunde auf eigenes Denken und auf die moralische Verantwortung verzichteten. Der Eid lautete: „Ich schwöre Adolf Hitler unverbrüchliche Treue. Ich schwöre ihm und den von ihm bestimmten Vorgesetzten absoluten Gehorsam.“ Und das waren nicht nur bloße Worte.

Wir verfügen über SD-Berichte, in denen ausführlich beschrieben ist, wie die Mitglieder später das Prinzip der geheimen Abstimmung bei Wahlen verletzten, um Oppositionelle ausfindig zu machen. In einem der Berichte wurde erläutert: „… Manche Mitglieder der Wahlkommission markierten alle Wahlzettel mit Nummern. Im Laufe der Abstimmung selbst wurde die Liste der Wähler erstellt. Die Wahlzettel wurden in der entsprechenden Reihenfolge ausgehändigt, und später konnte man dank dieser Liste feststellen, wer dagegen gestimmt oder den Wahlzettel verdorben hatte. Ein solcher markierter Wahlzettel ist beigelegt. Der Vermerk wurde auf der Rückseite des Wahlzettels mit fettarmer Milch gemacht …“

Diese parteiliche Organisation hatte mit dem Führer und dessen Helfern ihre eigene Gesetzesquelle. Die Verschwörer haben innerhalb der Partei eine Regierung gebildet, um außerhalb des Gesetzes alle Sanktionen anzuwenden, die jede legitime Regierung anwenden kann, wie auch viele solche Sanktionen, die diese legitime Regierung nicht anwenden könnte.

Die Nazi-Partei hatte ihre eigene Geheimpolizei, ihre Gerichte, ihren Sicherheitsdienst, ihr eigenes Aufklärungs- und Spionagenetzwerk, Abteilungen, die für Überfälle und Razzien zuständig waren, sowie militante Jugendorganisationen. Sie haben sehr gut bedachte Verwaltungsapparate gebildet, die für Verwaltung über Konzentrationslager, für Einsatz von Gaskammern und schließlich für die Finanzierung der ganzen Bewegung zuständig waren. Dank einem solchen Verwaltungssystem konnte die Nazi-Partei, wie später ihre Bosse prahlten, sich am Ende alle Seiten des Lebens in Deutschland unterstellen.

Einige Zeit blieben noch die äußeren Formen der Deutschen Republik bestehen, und es gab eine sichtbare und klare Regierung. Doch die wahre Macht im Staat stand außerhalb bzw. über dem Gesetz und befand sich in den Händen der Führung der Nazi-Partei. Am 28. Februar 1933, weniger als einen Monat nach Hitlers Wahl zum Kanzler, wurde das Reichstagsgebäude in Flammen gesetzt. Der Umstand, dass dabei das Symbol der freien parlamentarischen Regierung brannte, war günstig für die Nazis, und es gab die Meinung, dass sie den Brand selbst inszeniert hatten. Einen Tag später zwang Hitler den alten und kranken Präsidenten von Hindenburg, ein Dekret zu unterzeichnen, dem zufolge alle umfassenden Garantien der persönlichen Freiheit im Sinne der Weimarer Republik provisorisch außer Kraft gesetzt wurden.

Mutige und anständige Menschen wurden vernichtet

Jackson: Wenn das deutsche Volk das Programm der Nazis freiwillig akzeptiert hätte, dann wären die Sturmbanne, die in den ersten Tagen nach der Machtübernahme durch die Partei gebildet wurden, gar nicht nötig gewesen. Es wären auch die Konzentrationslager und die Gestapo nicht nötig gewesen, die gleich nach der Übernahme der Staatsmacht durch die Nazis gegründet wurden. Erst nachdem diese ungesetzlichen „Neueinführungen“ in Deutschland erfolgreich getestet worden waren, wurden sie auch außerhalb seiner Grenzen eingesetzt. Das letzte Ergebnis der nazistischen Aggression ist so: Deutschland liegt in Trümmern. Die Deutschen selbst wollen die Angeklagten zur Rechnung ziehen, und zwar nicht weniger als die ganze restliche Welt.

Das deutsche Volk war in den Händen der Polizei, die Polizei war in den Händen der Nazi-Partei, und die Partei war in den Händen einer Gruppe von Bösewichtern. Die am Leben gebliebenen und vor uns sitzenden Angeklagten waren die Leiter dieser Gruppe.

Der Kampf innerhalb Deutschlands war die praktische Vorbereitung auf den Kriegszug gegen die restliche Welt. Die Nazis beherrschten nicht nur die deutschen Arbeiter, sondern verwandelten zwangsläufig junge Menschen in Arbeiter, die von den Nazis in Fesseln geschlagen wurden.  Laut dem Arbeitspflichtdekret vom 26. Juni 1935 mussten alle Männer und Frauen im Alter von 18 bis 25 Jahren zu Arbeiten mobilisiert werden. Damit wurde die Aufgabe zur Versklavung der deutschen Arbeiterklasse endgültig erfüllt.

Mutige und anständige Elemente der deutschen Bevölkerung wurden vernichtet – dank einem komplexen Netzwerk von Spionage und Intrigen, durch Verfolgung und Foltern, die die Welt seit vielen Generationen nicht mehr gesehen hatte. Anständige, aber charakterlich schwache Menschen wurden eingeschüchtert. Einen offenen Widerstand, der aber immer schwach und unentschlossen war, gab es nicht mehr, aber ich bin glücklich, zu sagen, dass der Widerstand als solcher nie total eingestellt wurde, auch wenn er bei Ereignissen Ausdruck fand wie das gescheiterte Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944.

„Alle Läuse und alle Juden vernichten!“

Jackson: 1933 lebten etwa 500. 000 Juden in Deutschland. Ihre geringe Zahl machte sie hilflos, aber gleichzeitig genügte diese Zahl, um sie als eine Gefahr darzustellen. Wir werfen all diesen Angeklagten nicht Arroganz und Überheblichkeit vor, die bei häufigen Kontakten zwischen verschiedenen Rassen und Völkern vorkommen. Unser Ziel ist es, zu beweisen, dass es einen Plan zur Vernichtung des ganzen jüdischen Volkes gab, dem die Nazis fanatisch folgten.

Ghettos dienten als Laboratorien, wo diverse Repressionsmethoden zum ersten Mal getestet wurden. Jüdisches Eigentum wurde zum ersten Mal enteignet, und dann wurden ähnliche Maßnahmen oft auch gegen Deutsche selbst ergriffen, die gegen den Nazismus waren, dann gegen die Polen, Tschechen, Franzosen und Belgier. Bei der Vernichtung der Juden trainierten die Deutschen quasi und hatten dann die Möglichkeit, auch gegen die Polen, Serben und Griechen ähnlich vorzugehen. Die schwere Lage der Juden war die permanente Gefahr und Warnung für die Opposition und die Bevölkerung Europas. Das war de facto die Gefahr für jeden Menschen, der damit nicht einverstanden war.

Der Plan zur Judenvernichtung wurde dermaßen methodisch und ausführlich umgesetzt, dass dieses Ziel generell erreicht wurde – trotz der Niederlage Deutschlands und der Vernichtung des Nazismus. Von 9,6 Millionen Juden, die in dem von den Nazis kontrollierten Europa lebten, wurden laut glaubwürdigen Angaben 60 Prozent vernichtet. Die Geschichte kennt keine solchen Verbrechen, die gegen eine dermaßen große Menschenmasse gleichzeitig gerichtet wären, keine solchen Verbrechen, die mit dermaßen berechneter Grausamkeit begangen worden wären.

Der Angeklagte Streicher führte diese Kampagne der antisemitischen Grausamkeit und des antisemitischen Extremismus an. Im März 1942 zitierte er voller Enthusiasmus die Erklärung des Führers vom 24. Februar 1942: „Die Juden werden vernichtet!“ Am 4. November 1943 erklärte Streicher, dass die Juden „aus Europa verschwunden“ seien, und dass es das „östliche Naturschutzgebiet des Judentums“, von dem aus „die jüdische Pest jahrhundertelang die Völker Europas ansteckte“, nicht mehr geben würde.

Der Angeklagte Hans Frank, ausgebildeter Jurist, wovon ich mich schäme, zu sprechen, schrieb in seinem Tagebuch: „Ich kann natürlich nicht alle Läuse und alle Juden binnen nur eines Jahres vernichten.“

Hier haben wir einen Bericht des Kommandanten der Stadt Sluzk vom 30. Oktober 1941. Dort steht geschrieben: „Der Oberleutnant erläuterte, dass das Polizeibataillon die Aufgabe bekommen hatte, alle Juden in Sluzk binnen von zwei Tagen zu vernichten. (…) Dann bat ich ihn, diese Veranstaltung um einen Tag zu verschieben. Aber er sagte ab und betonte, dass er das überall und in allen Städten durchzuführen habe, und in Sluzk seien dafür nur zwei Tage vorgesehen. Innerhalb dieser zwei Tage sollte Sluzk von den Juden mit allen möglichen Mitteln gereinigt werden. (…) Der größte Teil von ihnen wurde einfach in Lastwagen geladen und unverzüglich außerhalb der Stadt erschossen. (…) Was diese Veranstaltung selbst angeht, so muss ich mit tiefem Bedauern sagen, dass sie beinahe an Sadismus grenzte. Während dieser Ereignisse spielten sich in der Stadt schreckliche Bilder ab. Mit unbeschreiblicher Grausamkeit der deutschen Polizeioffiziere und vor allem der litauischen Partisanen wurden die Juden, wie auch die Weißrussen, aus ihren Häusern getrieben. Überall waren Schüsse zu hören, und überall lagen Leichen von erschossenen Juden herum.“

Andere Berichte enthalten Informationen nicht über das Blutvergießen selbst, sondern vielmehr über den Verfall der Sadisten. Hier ist beispielsweise ein Bericht an den Angeklagten Rosenberg über das Vorgehen der Armee und der SS-Truppen in einem von ihm kontrollierten Gebiet:

„In Anwesenheit eines SS-Soldaten sollte ein jüdischer Zahnarzt deutschen und russischen Juden alle goldenen Zahnkronen und Zahnfüllungen ausreißen, die dann hingerichtet wurden.“

Mit dem Gaswagen in den Tod

Jackson. Wir, Vertreter der westlichen Welt, haben von den Wagen des Todes gehört, in denen die Juden und politische Gegner erstickten. Wir konnten das nicht glauben. Doch wir sehen ein Schreiben des deutschen SS-Offiziers Becker vom 16. Mai 1942 an seinen Chef in Berlin: Die Gaswagen der Gruppe C könnten bis zum Ort der Exekution, der meistens 10-15 km abseits der Verkehrswege liege, nur bei trockenem Wetter gelangen, bei feuchtem Wetter überhaupt nicht. Fährt oder führt man die zu Exekutierenden an diesen Ort, so merken sie sofort, was los ist und werden unruhig, hieß es im Schreiben. „Die Wagen der Gruppe D habe ich als Wohnwagen tarnen lassen. (…) Die Wagen waren so bekannt geworden, dass nicht nur die Behörden, sondern auch die Zivilbevölkerung den Wagen als 'Todeswagen' bezeichneten, sobald eines dieser Fahrzeuge auftauchte.“ Becker zufolge sollten alle Soldaten möglichst weit entfernt von den Wagen während der Exekution weilen. Das Ausladen habe „ungeheure seelische und gesundheitliche Schädigungen auf die Männer“, hieß es im Schreiben.

Vor mir ist ein Schreiben, das mit teutonischem Faible zum Detail erstellt wurde, versehen mit Fotos, die auf die Authentizität dieses unglaublichen Textes hinweisen, es ist liebevoll in Leder gebunden. Das ist ein Original des Schreibens des SS-Generals Jürgen Stroop. Auf der Titelseite dieses Berichts steht geschrieben: „Es gibt kein jüdisches Wohnviertel in Warschau mehr!“. Dieser Bericht enthält tägliche Beschreibungen der Morde, vor allem durch die SS; er ist zu abstrakt, um ihn zu zitieren, doch erlauben Sie mir ein Fazit des Generals Stroop: Der Widerstand der Juden und Banditen könne nur mit energischen Handlungen unserer Truppen Tag und Nacht gebrochen werden. Deswegen befiehlt der SS-Reichsführer am 23. April 1943, das Ghetto mit äußerster Grausamkeit zu säubern. Gewöhnlich verließen die Juden ihre Zufluchtsorte, doch oft blieben sie in brennenden Gebäuden zurück und sprangen erst aus den Fenstern, als die Hitze unerträglich wurde. Danach versuchten sie, mit gebrochenen Knochen, über die Straße in Gebäude zu kriechen, die nicht brannten. Manchmal zogen sie aus ihren Zufluchtsorten in die Trümmer der niedergebrannten Gebäude. Das Leben in den unterirdischen Rohren wurde bereits nach einer Woche unerträglich. Von dort waren oft laute Schreie zu hören. In die Öffnungen wurden Bomben mit Tränengas geworfen. Juden wurden aus Abflussrohren geholt. Unzählige Juden wurden in unterirdischen Leitungen und Gräben durch die Explosionen getötet. Je länger der Widerstand dauerte, desto entschlossener gingen die SS-Männer vor. „Die Gesamtzahl der erfassten und nachweislich vernichteten Juden beträgt insgesamt: 56.065“, so Stroop.

Wir behaupten, dass alle Grausamkeiten gegenüber Juden der Höhepunkt des Nazi-Plans waren, an den jeder der Angeklagten beteiligt war. Ich weiß sehr gut, dass einige von diesen Menschen Schritte unternahmen, um vereinzelt Juden vor den Schrecken aus persönlichen Motiven zu schützen. Einige von ihnen protestierten gegen einzelne Grausamkeiten, indem sie meinten, dass sie überflüssig wären und die allgemeine Politik diskreditierten. Doch ich stellte keinen einzigen Fall fest, dass ein Angeklagter gegen die Politik war bzw. sie ändern wollte.

Unter den Angeklagten gab es Kontroversen zu vielen Fragen der Innenpolitik. Doch es gibt keinen Einzigen, der den Aufruf des Nazismus nicht wiederholt hatte: „Deutschland muss aufwachen, das Judentum muss sterben“.

Preis des Lebens – eine handvoll Ersatztabak

Jackson. Ich werde mir nicht die Zeit mit einer ausführlichen Beschreibung der Grausamkeiten in KZ-Lagern nehmen. Die Häftlinge wurden gezwungen, sich gegenseitig umzubringen. 1942 wurden ihnen eine Reichsmark für jede Exekution gezahlt, doch am 27. Juni 1942 befahl SS-General Glücks für alle KZ-Lager, die Bezahlung auf drei Zigaretten zu reduzieren. 1943 erteilte SS-Reichsführer und Polizeichef den Befehl, dass körperliche Bestrafungen der russischen Frauen durch polnische Frauen und umgekehrt vollzogen werden, doch die Zahlungen wurden nicht strikt festgelegt. Es wurde erlaubt, „als Belohnung einige Zigaretten zu geben“.

Unter den Nazis verlor das menschliche Leben immer mehr an Bedeutung – nur eine handvoll Ersatztabak. Doch manchmal kam es zu Episoden der menschlichen Herzlichkeit. Am 11. August 1942 schickte Himmler einen Befehl an die Kommandanten von 14 KZ-Lagern, dass „nur deutsche Häftlinge andere deutsche Häftlinge schlagen dürfen“.

Wir müssen euch diese KZ-Lager zeigen, die auf Filmaufnahmen so zu sehen sind, wie sie unsere Alliiertenarmeen bei ihrer Ankunft vorfanden. Und die Maßnahmen, die General Eisenhower unternehmen musste, um von dort die vielen Leichname wegzubringen. Unsere Beweise werden schrecklich sein, ihr werdet sagen, ich habe euch den Schlaf genommen. Doch gerade diese Handlungen erschütterten die ganze Welt und führten dazu, dass jeder zivilisierte Mensch gegen Nazi-Deutschland auftrat.

Ich bin einer von jenen, die während dieses Kriegs mit Verdächtigungen und Skepsis die meisten Erzählungen über die schrecklichsten Grausamkeiten hörten. Doch die hier vorgelegten Beweise werden so beeindruckend sein, dass ich es wage vorherzusagen, dass kein Wort von mir widerlegt wird. Die Angeklagten werden nur ihre persönliche Verantwortung bzw. den Vorwurf ablehnen, dass sie über diese Verbrechen Bescheid wussten.

Jackson. Die Pläne wurden lange im Voraus erstellt. 1935 ernannte Hitler den Angeklagten Schacht zum Generalbevollmächtigten für die Kriegswirtschaft. Uns zur Verfügung stehen das Tagebuch von General Jodl, die Operation Otto – der Befehl Hitlers, in Österreich einzugreifen, falls der geplante Trick scheitert, der „Fall Grün“, ein Entwurf für den Angriff auf die Tschechoslowakei, der Plan der Kriegsführung im Westen, das Schreiben Funks an Hitler vom 25. August 1939, wo die lange wirtschaftliche Vorbereitung auf den Krieg detailliert beschrieben wird, ein geheimer Keitel-Befehl über die Mobilmachung 1939-1940, über geheime Veranstaltungen während der sogenannten „anstrengenden Periode“, bei der „kein Kriegszustand erklärt wird, selbst wenn offene Kampfhandlungen gegen unseren äußeren Feind aufgenommen werden“. Dieser schriftliche Befehl steht uns zur Verfügung, obwohl am 16. März 1945 befohlen wurde, diese Pläne zu verbrennen. Wir haben auch die Weisung Hitlers vom 18. Dezember 1940 – das Unternehmen Barbarossa über den Angriff auf die Sowjetunion. Das ist ein Original mit den Namenskürzeln von Keitel und Jodl.

Sie planten den Angriff lange vor der Kriegserklärung. Wir verfügen über detaillierte Informationen über den Fall Weiß – der Plan für den Angriff auf Polen. Damit begann der Krieg. Das war am 14. Juni 1939. Der Angriff ereignete sich erst im September. Das ist ein absolut geheimes Dokument, das in 20 Exemplaren vervielfältigt wurde. Wir haben das achte Exemplar.

Plünderungen

Jackson. Das sind die Passagen aus dem Schreiben Rosenbergs an Keitel vom 28. Februar 1942. Das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen in Deutschland sei eine unglaublich große Tragödie. Von den 3,6 Millionen Kriegsgefangenen taugen nur wenige für die Arbeit, ein bedeutender Teil starb an Hunger bzw. den Klimabedingungen. Tausende starben an Flecktyphus. Die Leiter der KZ-Lager verboten der Zivilbevölkerung, den Häftlingen Lebensmittel zu geben, und bevorzugten es, dass die im Hungertod starben. In vielen Fällen konnten Kriegsgefangenen während der langen Märsche wegen Hunger und Erschöpfung nicht mehr weitergehen und wurden vor den Augen der erschrockenen Zivilbevölkerung erschossen, ihre Leichname wurden nicht einmal beerdigt. Zudem gab es Erschießungen der Kriegsgefangenen, in verschiedenen Lagern wurden alle Personen asiatischer Herkunft erschossen.

Die Nazi-Kampagne des grausamen Umgangs mit den Gegnern erreichte ihren Höhepunkt im Krieg gegen Russland. In der Regel wurden alle Kriegsgefangenen unter die Kontrolle Himmlers und der SS übergeben. Im Osten wüteten die Deutschen im großen Stil. Es wurde der Befehl erteilt, die russischen Kriegsgefangenen mit Stempeln zu versehen, sie starben an Hunger.

Der Plan des Abtransports der tauglichen Jugendlichen aus den besetzten Ländern wurde von Rosenberg nach seiner Theorie, dass damit die erwünschte Schwächung der biologischen Stärke des besiegten Volkes erreicht wird, gebilligt. Entweder hole man Menschen guten Blutes auf unsere Seite, die man nutzen könne und ihnen den Platz unter unserem Volk biete, oder sie könnten das zwar grausam nennen, doch die Natur selbst sei grausam – wir würden diese Personen ausrotten.

Bezüglich der vollwertigen Rassentypen sagte Himmler, dass man ihre Kinder mitnehmen sollte, damit sie aus ihrer früheren Umgebung geholt werden. Wenn nötig durch Entführung. Er beharrte auf der Ausführung der Kinder slawischer Herkunft, um ihren potenziellen Feinden die künftigen Soldaten wegzunehmen.

Der Angeklagte Sauckel sagte, dass es unter fünf Millionen ausländischen Arbeitern, die nach Deutschland kamen, selbst keine 200.000 Freiwilligen gab. Das wurde Hitler und Speer, Göring und Keitel berichtet. Laut einem Telegramm des von Rosenberg geleiteten Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete ist das Kommando weiterhin bevollmächtigt, geeignete russische Jugendliche im Alter von 10 bis 14 Jahren ins Reich zu bringen. Hitler wollte, dass diese Aktivitäten verstärkt werden.

Ich gebe zu, dass keine Armee das besetzte Gebiet ohne Plünderungen durchquert. Gewöhnlich nehmen die Plünderungen mit dem Nachlassen der Disziplin zu. Mit den Deutschen war es das Gegenteil. Sie organisierten, planten und legitimierten Plünderungen wie auch alles andere und erstellten danach detaillierte Berichte, um zu zeigen, dass sie alles dafür taten, um bestmöglichst plündern zu können.

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Jackson. Auf der Anklagebank sitzen mehr als 20 moralisch gebrochene Menschen. Diese Menschen, denen die Erniedrigung jener, die sie anführten, wie auch das Unglück jener, die sie angriffen, zur Last gelegt werden, haben für immer die Möglichkeit verloren, Unglück zu stiften. Jetzt ist es schwer, in diesen kümmerlichen Häftlingen die Merkmale der Macht zu sehen, mit der sie als Nazi-Anführer einen bedeutenden Teil der Welt beherrschten, Schrecken für den größten Teil der Bevölkerung verbreiteten. Ihr persönliches Schicksal hat keine große Bedeutung für die Menschheit.

Julia Ignatjewa

 

Literaturverzeichnis:

  • S. Miroschnitschenko „Stenogramm der Nürnberger Prozesse“, B.1
  • Gustave Gilbert „Tagebuch von Nürnberg“

 

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