Durch die Fenster des Krupp-Betriebs waren die Schlote eines Krematoriums zu sehen

Unter Märchenzwergen gibt es nicht nur nette Typen aus Disney-Zeichentrickfilmen. Es gibt ja auch andere Zwerge, die arbeitsfreudig, aber manchmal unmoralisch sind. Die Krupp-Familie gehörte diesem Typ an. Ihre Geschichte macht eine Mischung aus Zielstrebigkeit, kalter Berechnung und Zynismus aus. Die letzten Krupps machten sich keine Gedanken über das Gestöhne und Röcheln, das überall zu hören war: Die Cheyne-Stokes-Atmung als Komponente des Krupp-Stahls war Teil der Formel jeder Kanone, jedes Panzers oder U-Boots. Und jeder Tod (egal ob eines Deutschen oder Gegners) brachte der Familie Geld, Ruhm und Medaillen. Hier ist die Meinung von Pjotr Romanow zur Krupp-Geschichte.

Krone des russischen Imperiums

Als „Kanonenkönige“ etablierten sich die Krupps im Jahr 1863, und zwar dank einem Auftrag aus Russland – für eine wahnsinnige Summe von einer Million Talern. Dieses Geschäft machte großen Eindruck auf die Welt – und so entstand der Spitzname der Krupp-Familie.

Die Militärs waren am Anfang eher misstrauisch gegenüber Stahl – die ersten Stahlkanonen explodierten schon nach wenigen Schüssen. Die Krupps schickten ihre Kanonen in mehrere Länder – als Geschenk, „baten“ aber die jeweilige Staatsführung, es in richtigen Gefechten zu testen. So geriet eine Krupp-Kanone in die Hände russischer Artilleristen. Tag für Tag testeten sie das Geschenk. Nach 4000 Schüssen inspizierten sie die Waffe – und fanden nicht einmal einen Kratzer darauf. Die Wunderwaffe wurde ins Artilleriemuseum in der Peter-und-Paul-Festung in St. Petersburg geschickt, und die Krupps bekamen einen neuen Auftrag. Für die Krupp-Kanonen gab es in Russland jede Menge „Arbeit“. Im Jahr 1877 entwickelte 42-Millimeter-Kanonen kamen im russisch-japanischen, im Ersten Weltkrieg und auch im sowjetischen Bürgerkrieg aktiv zum Einsatz. Diese Waffen wurden sowohl in Krupp-Betrieben als auch im „Obuchowski“-Werk in Petersburg gebaut.

Die Krupps fingen einst ganz bescheiden an und probierten viele Wege aus, reich zu werden. Sie mussten sich mit vielen Misserfolgen abfinden, erfanden aber irgendwann eine Methode zur Produktion eines erstklassigen Stahls – und diesen Stahl verwandelten sie dann quasi in Gold. Diesen Weg verließen sie nicht mehr: Sie arbeiteten akribisch an der Verbesserung ihrer Waffen, die immer genauer und tödlicher wurden. Über zahlreiche Vermittler versorgten die Krupps sogar die Länder mit ihren Kanonen, die damals gegen Deutschland kämpften. Während des Ersten Weltkrieges war die Friedrich Krupp AG der größte Lieferant von Panzerschildern für die britische Artillerie und Marine. In den Unterlagen des britischen Unternehmens Vickers gab es eine besondere Ausgabenposition, die mit einem „K“ vermerkt war. Laut diesen Dokumenten zahlten die Briten für jeden gestorbenen deutschen Soldaten etwa 60 Mark an Gustav Krupp.

Die Krupp-Dynastie war nicht ewig – wie auch jede andere. 1966 verzichtete Arndt Krupp – der letzte Mann unter diesem Namen – auf die Erbschaft und auch auf die Familienrechte und bekam dafür eine Rente in Höhe von zwei Millionen Deutschen Mark pro Jahr. Arndt Krupp war ein Schlitzohr, dem Trinken verfallen und homosexuell (was für ihn allerdings kein Hindernis war, eine Prinzessin zu heiraten). Ein Jahr vor seinem Tod hatte sein Vater Alfred Krupp, der Besitzer des Familienunternehmens, abgedankt und das gesamte Kapital des Konzerns seiner eigenen Stiftung überlassen.

Das „Sterben“ der Dynastie ließ sich auch später feststellen: Im März 1999 wurde ein Abkommen zur Fusion von zwei deutschen Industrieriesen unterzeichnet – der Thyssen AG und der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung. So entstand der größte Konzern in Europa – die ThyssenKrupp AG, einer der größten Stahlproduzenten weltweit. Der Anteil der Stiftung an den Aktiva des Unternehmens beläuft sich auf 15 Milliarden Euro.

Die Krupps stellten sich auf die Gleise

Als Gründer der Krupp-Dynastie wird oft der Kaufmann Arnold Arndt Krupp genannt. Es sind Unterlagen aus dem späten 16. Jahrhundert erhalten geblieben, in denen ein Einwohner der Stadt Essen mit diesem Namen erwähnt wird. Aber mit dem künftigen Aufstieg der Familie Krupp an die wirtschaftliche Machtspitze hatte dieser Mann nichts zu tun. Er und seine Nachkommen hatten kein Interesse für die Hüttenindustrie und waren Händler. Einer von ihnen wurde irgendwann Bürgermeister von Essen.

Alles veränderte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als Helene Amalie Krupp quasi zum Familienoberhaupt wurde. Sie war die Frau, die einen kleinen Laden, den sie von ihrem Gatten geerbt hatte und der mit kolonialen Waren handelte, in etliche Handels- und Industrieunternehmen (auch Hüttenbetriebe) verwandelte. Drei Jahre vor ihrem Tod schenkte Helene Krupp ihrem Enkel Friedrich einen Hüttenbetrieb. Dieser kam damit nicht zurecht – und die Großmutter nahm ihr Geschenk wieder zurück. Doch nach ihrem Tod 1810 erbte er das gesamte Eigentum der Familie Krupp und gründete eine Firma unter dem Namen Friedrich Krupp zur Verfertigung des von englischem Gussstahl und aller daraus resultierenden Fabrikationen. Er nahm sich vor, diese damals offensichtliche Nische zu füllen: Wegen der von Napoleon verhängten Blockade Großbritanniens, des größten Stahllieferanten in Europa, mangelte es an dieser Legierung. Die Blockade wurde bald wieder aufgehoben, und die „englische“ Qualität seines Stahls konnte Krupp erst 1816 erreichen. Seine Firma produzierte Instrumente für die Lederherstellung, Lochbohrer, Drehmeißel, Münzstempel und Glöckchen. Als Friedrich Krupp starb, war das ein kleiner Betrieb mit sieben Mitarbeitern.

Europaweit wurden die Krupps dank Alfred, dem Großenkel Helene Amalias, bekannt. Er erbte den kleinen Betrieb seines Vaters schon mit 14 Jahren und nahm dort später eine Produktion auf: Es wurden dort nämlich Wagenräder ohne Schweißnähte hergestellt. Diese ebneten den Krupps den Weg an die Erfolgsspitze – auf diesen Rädern rollten die meisten Züge in Europa und Amerika. Die Räder sind sogar auf dem Logo des Konzerns abgebildet. Mit der Zeit interessierte sich Alfred Krupp auch für Waffen und begann mit der Kanonenproduktion, was ihm am Ende des Tages den Titel des „Kanonenkönigs“ bescherte. Ausgerechnet Alfred Krupp fädelte den am Anfang dieses Textes erwähnten Deal ein.

Mit dem weiteren Erben hatte die Dynastie kein Glück: Friedrich (Fritz) Alfred Krupp war kein richtiger Unternehmer und verbrachte die meiste Zeit auf Capri. Er interessierte sich nicht für Stahl, sondern für Zoologie. Er entdeckte und klassifizierte 33 neue Arten von „frei schwimmenden Lebensformen“ sowie fünf Arten von Seewürmern, vier Fischarten, 23 Planktontypen und 24 Arten von Krustentieren. Die Umgebung Fritz Krupps bestand vor allem aus jungen Männern, woraus italienische und auch deutsche Medien einen Riesenskandal machten. Allerdings vertuschte Kaiser Wilhelm II. diese „unanständige“ Geschichte, wie auch die Gerüchte über den geheimnisvollen Tod Fritz Krupps – viele Experten behaupten, er hätte Selbstmord begangen.

Trotz seiner ungewöhnlichen Neigungen erfüllte Fritz Krupp seine Pflicht als Dynastievorsteher: Er heiratete und wurde Vater von zwei Töchtern. Die jüngere von ihnen spielte keine Rolle in der Geschichte, aber die ältere, Bertha Krupp, wurde weltweit bekannt.

Die „Dicke“ mit Massenvernichtungspotenzial

Eine Frau, auch wenn sie den Familiennamen Krupp trug und in ihren Adern das Krupp-Blut floss, konnte unmöglich an der Spitze eines Waffenkonzerns stehen. Außerdem würde ihr das wohl keinen Spaß machen. In vielen Büchern über die Familie Krupp wird behauptet, man hätte versucht, den beiden Schwestern die Stahlproduktionskunst beizubringen. Die beiden Mädchen hörten aufmerksam zu, gaben aber später zu, nichts verstanden zu haben.

Angesichts dessen musste sich Kaiser Wilhelm höchstpersönlich mit der Ehe Bertha Krupps beschäftigen. Er wählte dabei nicht nur einen Gatten für die Erbin des Industrieriesen, sondern vor allem den wichtigsten Waffenproduzenten Deutschlands aus. Am Ende entschied er sich für Gustav von Bohlen, einen intelligenten Unternehmer (seine Familie besaß eigene Hammerwerke) und Diplomaten, der zu diesem Zeitpunkt unter anderem in den deutschen Missionen in Washington, Peking und im Vatikan gearbeitet hatte. 

Was der Kaiser dem Brautpaar 1906 sagte, ist nicht genau bekannt, aber diese haben auf ihn gehört. Gustav übernahm sogar den Familiennamen seiner Gattin. Die erfolgreiche Ehe und die Treue zu den deutschen Kriegsambitionen führten ihn am Ende des Tages in ein Nürnberger Gefängnis.

Noch während des Ersten Weltkrieges war der Name der Gattin Gustav Krupps allgemein bekannt. Der Mörser „Große Bertha“ (deutsche Soldaten nannten das Geschütz auch „Dicke Bertha“ oder auch einfach „Dicke“) war für die Zerstörung von besonders starken Befestigungswerken geeignet. Alle Modifikationen des Mörsers waren tatsächlich „dick“ und wogen 42 bis 140 Tonnen. Die Kanone mit der maximalen Schussweite feuerte 1160 Kilogramm schwere Geschosse bis zu 12,5 Kilometer weit ab. 

Manche Experten betrachten die „Dicke Bertha“ sogar als eine Art „Vorfahren“ der jetzigen Massenvernichtungswaffen, und das ist kein Zufall. Denn bei der Explosion eines Sprenggeschosses entstand ein 4,25 Meter tiefer und 10,5 Meter breiter Trichter. Das Geschoss selbst zerfiel in 15.000 Splitter, die zwei Kilometer weit auseinanderflogen. Vor solchen Geschossen gab es keine Rettung – nicht einmal zwei Meter dicker Stahlbeton war dagegen gefeit. Um eine Garnison mit 1000 Soldaten zum Strecken der Waffen zu zwingen, brauchte es nur zwei Krupp-Mörser, einen Tag und 360 Geschosse.

Eine „Große Bertha“ beteiligte sich an der Eroberung von Lüttich im August 1914 und an der Verdun-Schlacht im Winter 1916. Auch bei der Eroberung der russischen Festungen Nowogeorgijewsk und Kowno kamen solche Kanonen zum Einsatz. Manche Historiker behaupten sogar, aus „Dicken Berthas“ sei zwischen März und August 1918 Paris beschossen worden. Das stimmt nicht: Für die französische Hauptstadt hatten die Krupps eine Super-Fernkanone gebaut, die 120 Kilometer weit schießen konnte und als Paris-Geschütz in die Geschichte eingegangen ist.

Gustavs Gebiss

Kurz nach der Ausrufung des Waffenstillstandes im Ersten Weltkrieg blieben die Militäraufträge aus – es gab kein Geld, die Arbeiter zu bezahlen. Die Firma fiel beinahe zurück in die Zeiten Friedrichs – die Krupps begannen mit der Herstellung von Walzen für Tischbesteck und Bestandteilen für Kinderwagen. Gustav Krupp sagte, dass der Konzern bereit sei, jede geschäftliche Idee zu sondieren und erfolgreiche von ihnen zu bezahlen. Ein Werbeplakat des Unternehmens, auf dem für ein künstliches Gebiss aus Stahl geworben wurde, sorgte damals für Lacher.

Gustav Krupp schrieb damals: „Wenn es jemals zur Wiedererstehung Deutschlands kommt, muss die Firma darauf vorbereitet sein. Die Ausrüstung wurde vernichtet, die Maschinen vernichtet, doch es blieb noch eine Sache – die Menschen in den Konstruktionsbüros und Hallen. Ihr Können muss (…) trotz vieler Hindernisse für die fernere Zukunft bewahrt werden, auch ihre enormen Kenntnisse und ihre Erfahrung.“

In der Vergangenheit hatte Krupp vier Monate im Gefängnis verbracht. In einem Werk kam es zu einem blutigen Zusammenstoß zwischen Arbeitern. 13 Menschen kamen ums Leben. Ins Gefängnis mussten die Anführer und Gustav selbst.

Dennoch schaffte er es, das Krupp-Geschäft wiederzubeleben – seine Unternehmen produzierten wieder Stahlelemente für Eisenbahnen. Was die Waffen betrifft, wurde ihre Produktion ohnehin nicht gestoppt.

Krupp umging gekonnt die Verbote des Vertrages von Versailles für die Waffenproduktion. In diesem Dokument war keine Rede von deutscher Produktion in anderen Ländern. Krupp nutzte das. Seine Ingenieure und Techniker arbeiteten zum Beispiel im schwedischen Metallurgiekonzern Bofors. In diesem Werk entstanden Krupp-Erzeugnisse – Artilleriesysteme, Fla-Kanonen und sogar experimentelle panzerbrechende Geschosse. Die Waffen wurden an die Niederlande, Dänemark und andere Länder verkauft.

1922 gründete Gustav Krupp nach einer geheimen Vereinbarung mit dem deutschen Marineministerium einen Konzern in Den Haag – die Suderius AG. Dort wurde die Entwicklung von U-Booten fortgesetzt. Gustav schickte Konstrukteure in die Werften der Niederlande, wo die Firma U-Boote für andere Länder projizierte und baute. Krupp tauschte Informationen mit japanischen U-Boot-Bauern aus, schickte seinen Chefkonstrukteur nach Japan. Zudem wurden Kopien der Zeichnungen und eine Gruppe von Konstrukteuren nach Finnland, Spanien und in die Türkei entsendet. Diese Länder erlaubten den Deutschen, Probeläufe mit neuen U-Booten zu absolvieren – unter deutscher Fahne durften sie nicht in See stechen.

Laut dem Vertrag von Versailles wurde Deutschland die Produktion von Waffen, jedoch nicht die Projizierung verboten. Gustav hatte Teams von Waffenentwicklern in Essen und versorgte sie mit militärischen und technischen Publikationen aus der ganzen Welt. Seine Ingenieure erforschten auch fremde Entwicklungen und patentierten zahlreiche eigene.

„Wie tief wir gesunken sind“

Während des Zweiten Weltkrieges benannten die Krupps eine Fabrik in Schlesien, wo die berühmten Schmeisser-Gewehre zusammengebaut wurden, nach Bertha. Im Berthawerk arbeiteten Auschwitz-Gefangene. Ein weiteres Werk befand sich unmittelbar in diesem Todeslager. Wie ein angestellter Arbeiter – Zeuge im Nürnberger Prozess – behauptete, waren durch die Fenster des Werks drei Schornsteine des Krematoriums zu sehen.

Da Gustav Krupp seine tödlichen Erzeugnisse nach seiner Ehegattin benannte, verlief ihr Familienleben erfolgreich. Nach Erinnerungen der Zeitgenossen war Bertha eine strenge Frau mit einer steifen Haltung und ähnelte einem Teutonen-Ritter. Im Unterschied zu ihrem Mann, der wenn nicht den Nazismus, dann sicher den Führer vergötterte, verhielt sich Bertha zu Hitler wie zu einem Parvenü. Als Hitler erstmals Krupps Haus besuchte, weigerte sich Bertha, sich mit ihm zu treffen, angeblich wegen Migräne. Als Gustav am Haus die Nazi-Fahne aufzog, sagte sie dem Diener verächtlich: „Schau, wie tief wir gesunken sind.“ In die Angelegenheiten ihres Mannes mischte sich Bertha aber kaum ein.

Walentin Bereschkow, Vertreter der sowjetischen Kommission für den Ankauf von Militärtechnik, beschrieb Gustav Krupp so: „Ein magerer Greis mit einem strengen Blick und Pergament-Gesicht.“ Der „Greis“ verweigerte keinem deutschen Herrscher die Treue. Er kooperierte mit Wilhelm, danach mit den Anführern der Weimarer Republik, ab 1933 setzte er auf Adolf Hitler. Er diente dem Dritten Reich bis 1941, als er nach einem Hirnschlag außer Gefecht gesetzt wurde.

Im Laufe von 40 Jahren leitete er gewissenhaft den Konzern, wo alles nicht ihm, sondern Bertha gehörte. Doch er machte seine Arbeit leidenschaftlich – es war er, der es schaffte, das Unternehmen nach der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg wiederaufzubauen. Danach lieferte er alles an Hitler, was der für die militärische Revanche brauchte. Dafür wurde er von Hitler mit einem Goldenen Parteiabzeichen der NSDAP ausgezeichnet – eine besondere Belohnung für die ältesten Mitglieder der Nazipartei.

Der lahmgelegte Krupp wurde nach dem Krieg in seinem Schloss Blühnbach festgenommen und in einem Konvoi in ein kleines nahegelegenes Hotel gebracht. Bertha ging mit ihrem Mann und pflegte ihn dort, bis klar wurde, dass die Anwälte es geschafft hatten, den hilflosen Gustav zu retten. Gustav und Bertha durften in ihre Familienvilla zurückkehren, wo er 1950 starb. Die Stadt Essen – die Wiege des Krupp-Imperiums – strich die beiden von der Liste der Ehrenbürger.

Der letzte Nazi der Dynastie

Dann forderte die Anklage der Nürnberger Prozesse, statt Gustav seinen Sohn Alfried, der seit 1941 den Konzern de facto, leitete auf die Anklagebank zu setzen. Die Anwälte retteten auch ihn. Allerdings nicht für lange. Am 31. Juli 1948 fällte das US-Militärgericht in Nürnberg ein Schuldurteil gegen Alfried wegen der Plünderung von Wirtschaftsgütern in den europäischen Ländern und Sklavenarbeit. Er wurde zu zwölf Jahren Haft mit Einziehung seines gesamten Vermögens verurteilt. Doch bereits am 4. Februar 1951 wurde er auf Beschluss des US-amerikanischen Hohen Kommissars für Deutschland vorzeitig entlassen. Zudem bekam er das entzogene Eigentum zurück.

Alfried war nicht einfach nur ein Geschäftsmann, sondern ein überzeugter Nazi, „Führer der Militärwirtschaft“. Seit 1931 war er förderndes Mitglied der SS. Das Ziel der Gemeinschaft war die Finanzierung der Hitler-Kämpfer. In dieser Zeit wurde er auch Mitglied des Nationalsozialistischen Fliegerkorps und bekam den Rang eines Standartenführers. Zudem war er Stellvertreter seines Vaters in dessen Funktion als Kuratoriumsvorsitzender der Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft. Gustav war einer der Initiatoren dieser Spende, Alfried brachte sie auf ein hohes Niveau. Er koordinierte auch die Tätigkeit der militärindustriellen Unternehmen in Deutschland und den besetzten Ländern. Das war in frühen Zeiten, als die Krupps Sägen und Glocken produzierten und nur sieben Arbeiter im Werk hatten.

Für Alfried arbeiteten nicht nur Deutsche, sondern auch 68.896 Ausländer, 23.076 Kriegsgefangene und 4978 KZ-Häftlinge. In seinen Händen waren die Leben von fast 100.000 Menschen, die zu Sklaven wurden. Nach der Freilassung aus dem Gefängnis versprach er, seinen ehemaligen „Sklaven“ eine Entschädigung zu zahlen. Doch auf seiner Liste standen nur 2000 Menschen – zwei Prozent der Gesamtzahl. Er erfüllte sein Versprechen und zahlte rund 2,4 Millionen Dollar.

Drei Jahre in Haft und ein kleiner Teil des Kapitals – so viel zahlte Krupp für seine Nazi-Vergangenheit. Das ist unvergleichbar mit dem Ausmaß des Grauens, die Alfried und Gustav über die Welt brachten. Krupp-Panzer kämpften gegen sowjetische Panzer am Kursker Bogen, die Krupp-Geschütze „Dicker Gustav“ und „Langer Gustav“ beschossen Sewastopol, Krupp-U-Boote versenkten nördliche Lend-Lease-Konvois, Krupp-Schmeisser töteten sowjetische Soldaten und friedliche Einwohner.