Die SS ist heute ein Begriff. Er wird mit extremer Grausamkeit und zahlreichen Morden assoziiert. Der Ruf der SS als unvorstellbare grausame Organisation und Kenntnisse über das Ausmaß der beispiellosen Gräueltaten ist der Verdienst der Nürnberger Prozesse – der internationale Militärgerichtshof untersuchte Verantwortung dieser Organisation, Bollwerk des Nazi-Systems, systematisch und ausführlich. Die SS ist für die Todeslager verantwortlich. Die SS ist für die Folterungen, medizinische Experimenten, Strafoperationen und Massenmorde verantwortlich. Die SS ist für die Schaffung und den Betrieb der pausenlos arbeitenden Holocaust-Fabrik verantwortlich. Das multimediale Projekt „Nuremberg. Casus pacis“ beschreibt in diesem Beitrag, wie Hitlers kleine Leibwache zur größten, mächtigsten und grausamsten Kraft im Dritten Reich wurde.

Schlägertrupp für Hitler

Der Vorgänger der SS entstand im März 1923. Damals rekrutierte der Offizier a.D. Julius Schreck in München den Stoßtrupp Adolf Hitler aus einigen Dutzend Menschen. Die Schaffung der Organisation wurde von Hitler selbst gebilligt, der Schreibwarenhändler Joseph Berchtold zum Leiter des Trupps und Schreck zu dessen Stellvertreter ernannte. Damals entstand auch eine spezielle Uniform und das silberne Emblem mit Schädel und Knochen – ein Symbol für Bereitschaft, den Führer um den Preis des eigenen Lebens zu schützen.

Doch nach dem Bierputsch am 8. und 9. November 1923, als die Nazis die Macht in München ergreifen wollten, wurde ihre Partei verboten. Hitler kam ins Gefängnis, Berchtold wanderte aus, und der Stoßtrupp, der sich am Bierputsch beteiligte, wurde aufgelöst.

„Die Garde des neuen Deutschland“

Nach der Freilassung 1925 machte Hitler Schreck zu seinem persönlichen Fahrer und befahl ihm, den persönlichen Schutz sowie die Stabswache neu zu organisieren. Dazu gehörten nur acht Mitglieder des Stoßtrupps. Zunächst hieß es Schutzkommando, doch dank des engsten Vertrauten Hitlers Hermann Göring erhielt es den Namen die SS.

Warum wurde diese Bezeichnung gewählt? Göring, erfahrener Kampfpilot im Ersten Weltkrieg, nutzte gerne Begriffe aus dem Flugwesen. Für den persönlichen Schutz Hitlers und die Stabswache wählte er den Begriff „Schutzstaffel“ – so wurden Flugzeuge genannt, die Einsätze am Himmel sicherten und Bomber schützten. Allerdings wurde die vollständige Bezeichnung weder in der Mitte der 1920er-Jahre, noch später breit genutzt, verbreitet war vor allem die Kurzform – die SS, die zu einem Begriff wurde.

Am 21. September 1925 sollten lokale NSDAP-Einheiten auf Schrecks Befehl SS-Einheiten bilden. In jedem Gau sollten Kommandos aus zehn Mitgliedern mit einem SS-Führer an der Spitze und in der Hauptstadt 20 Mitgliedern mit zwei Führern entstehen. Seit dem 9. November 1925 hießen diese Einheiten nun offiziell die SS der NSDAP.

„Das erste Ziel der Verschwörer war es, in einem politisch feindlichen Lager Fuß zu fassen, die Herrschaft über die Straße zu gewinnen und alle Gegner mit Gewalt zu bekämpfen. Zu diesem Zwecke benötigten sie ihre eigene private persönliche Polizei-Organisation“, sagte der Hilfsankläger für die Vereinigten Staaten, Major Warren Farr, auf den Nürnberger Prozessen, der das Beweismaterial für die Schuld der SS vorlegte. „Jedoch wurde die SA im Jahre 1923 für illegal erklärt. Als die Nazi-Partei im Jahre 1925 ihre Tätigkeit wieder aufnahm, blieb die SA verboten. An ihrer Stelle und um die Rolle von Hitlers persönlicher Polizei zu spielen, wurden kleine, leicht bewegliche Gruppen gebildet, die den Namen ›Schutz-Staffeln‹ trugen.“

Die SS galt von Anfang an als Eliteeinheit mit besonderen Mitgliedsbedingungen. Es wurden nur junge Männer (25-35 Jahre), die jeweils zwei Nazi-Gewährsmänner hatten, mindestens fünf Jahren am Einsatzort gewohnt haben, sich durch ausgeprägte Disziplin, Gesundheit und körperliche Stärke kennzeichneten, aufgenommen. Chronische Alkoholsüchtige, Schwächlinge sowie Personen mit weiteren Mängeln kamen als Kandidaten nicht in Frage, hieß es in SS-Regeln.

Im Dezember 1925 bestand die SS bereits aus 1000 Kampfwilligen, im April 1926 kehrte Berchtold nach Deutschland zurück und wurde zum neuen SS-Oberleiter. Am 4. Juli übergab Hitler auf dem zweiten Reichsparteitag in Weimar die „Blutfahne“ an die SS – die Fahne, mit der die Nazis durch München während des Bierputsches gingen.

Am 1. November wurde die SS einer anderen Naziorganisation untergeordnet – der zahlenmäßig größeren Sturmabteilung (SA). Dabei wurde das Amt des SS-Reichsführers ins Leben gerufen, das von Berchtold bekleidet wurde. Bereits im März trat er wegen Konflikte mit der SA zurück, zum Reichsführer wurde sein Stellvertreter Erhard Heiden und zum neuen Stellvertreter Heinrich Himmler ernannt.

„Immer hat es eine Garde gegeben, bei den Persern, bei den Griechen, bei Cäsar, bei Napoleon, beim Alten Fritz, und die Garde des neuen Deutschland wird die SS sein“, sagte Heiden.  Doch er hat es nicht geschafft, die SS-Soldaten zu einer Garde zu machen. Bei der SA herrschte große Eifersucht auf den  „Konkurrenten“, weil sie mit eher mit kaum Ansehen bringenden  Aufgaben beauftragt wurden wie dem Abschließen eines Abonnements für die Parteizeitung „Völkischer Beobachter“ bzw. dem Verteilen von Flugblättern. Es ist nicht erstaunlich, dass  der moralische Zustand der SS zum Ende 1928 nachließ, Heiden trat zurück.

Himmlers Partei-Polizei

Am 6. Januar 1929 ernannte Hitler Heinrich Himmler zum SS-Reichsführer. Der ehemalige Agronom, der sich für Ideen einer künstlichen Selektion interessierte, polierte nicht nur das  Ansehen der SS auf, indem sie zur einflussreichsten Organisation in Deutschland aufstieg, sondern erweiterte auch seinen persönlichen Einfluss massiv.

Er setzte auf die Schaffung eigener SS-Einheiten und sogar Sicherheitsdienste. So entstand 1931 als Abteilung des SS-Hauptstabs der Sicherheitsdienst Reichsführer-SS (SD), der kompromittierendes Material nicht nur gegen Regimegegner, sondern auch NSDAP-Führungskräfte sammelte. Himmler nutzte bei Gelegenheit gerne diese Materialien – zur Erpressung oder Beseitigung von Konkurrenten.

Während im Januar 1929 in der SS nur 280 Mitglieder im Einsatz waren, waren es im Dezember schon knapp 1000, und ein Jahr später bereits  2727. Dank der Anstrengungen Himmlers stärkte Hitler das Ansehen der SS. Er hatte angeordnet,  dass die SA der SS keine Befehle erteilen darf, und in jeder Ortschaft die SA die besten Kämpfer in die SS schicken soll. Als Aufgabe der SS bestimmte Hitler am 7. November 1930 ausdrücklich den parteiinternen Polizeidienst.

Auch die Uniform der SS-Soldaten änderte sich: Fortan trugen sie schwarze Dienstkappe, Krawatten, Hosen und Jacken. Eine arabische Zahl am linken Ärmel bedeutet, welches Regiment diese Person vertrat. Gerade diese schwarze Uniform ging in die Geschichte als Erkennungszeichen der SS ein – obwohl sie 1938 durch eine hellgraue Uniform abgelöst wurde.

Bereits 1932 stieg die Zahl der SS-Mitglieder auf 50.000. Bei der Auswahl widmete Himmler besondere Aufmerksamkeit der Verlässlichkeit in der Partei sowie der militärischen Erfahrung – viele SS-Soldaten dienten im Ersten Weltkrieg in Sturm- bzw. Partisaneneinheiten. 1933 entstand das Abzeichen der SS, bestehend aus zwei sogenannten Siegrunen, die gleichzeitig auch wie zwei Blitze und zwei lateinische S-Buchstaben aussahen. Im Dritten Reich wurde dieses Abzeichen auch der Tastatur der Schreibmaschinen hinzugefügt.

Das grundlegende Prinzip bei der Auswahl war, wie Himmler sich ausdrückte, Blut und Auslese. Die SS sollte die lebendige Verkörperung der Nazi-Lehre von der Überlegenheit des nordischen Blutes sein, die Verwirklichung der Nazi-Auffassung von der Herrenrasse. Um Himmlers eigene Worte zu gebrauchen, die SS sollte ein »nationalsozialistischer Soldaten-Orden des nordischen Mannes« sein, sagte Farr.

Von Isolierung der Feinde bis zur Abstrafung der Mitstreiter

Innerhalb von weniger als drei Monaten nach der Machtübernahme durch die Nazis, im März 1933, schuf Himmler das erste SS-Konzentrationslager nahe Dachau in Bayern. Das war nicht seine Erfindung, solche Einrichtungen hatte es bereits im 19. Jahrhundert gegeben. Doch gerade in Nazideutschland wurde das System der Zwangsarbeit und später der flächendeckenden Vernichtung der Menschen in Todeslagern an eine grausame, schier unvorstellbare Grenze gebracht.

Der erste Dachau-Kommandant Theodore Eicke entwickelte ein spezielles System zur Leitung des Lagers, das zum Vorbild im Dritten Reich wurde. Es sah Isolierung der Häftlinge von der Außenwelt, spezielle Aufgaben, strikte disziplinarische Regeln für Leibwächter und Gewaltanwendung gegenüber Gefangenen vor. Häftlinge trugen gestreifte Uniform, und die Lageraufseher – Uniform mit einem „Totenkopf“ im Kragenspiegel.

Zunächst wurden in die Lager politische Gegner gesteckt – in erster Linie Kommunisten und Sozialdemokraten, dann kamen andere „unerwünschte Personen“ hinzu. 1937 erlaubte Hitler, in die Lager alle zu schicken, die für das Regime unerwünscht waren – so kamen Juden, Sinti und Roma, stark Gläubige und andere Personen, die nun als „Untermenschen“ bzw. Feinde bezeichnet wurden, in die Lager. Zur Überwachung der Lager und Bestrafung der Häftlinge wurden in der SS „Totenkopf-Verbände“ eingerichtet.

Während des Krieges liefen in KZ-Lagern Experimente, die oft zu schweren Verkrüppelungen bzw. Tod führten. „Die Tatsache, dass die SS-Ärzte solche Versuche unternahmen, war kein Zufall. Es stimmte vollkommen mit einer Weltanschauung und rassischen Philosophie überein, die in Himmlers Worten Menschen als Läuse und Abschaum betrachtete. Aber der treibende Faktor war, dass nur die SS die Möglichkeit hatte, das nötige Menschenmaterial zu liefern“, sagte Farr.

Fast gleichzeitig mit der Schaffung der KZ-Lager entstand in der SS die die Leibgarde des Führers – „Leibstandarte SS Adolf Hitler“. Diese Einheit wurde in der Nacht auf den 1. Juli 1934 – in der „Nacht der langen Messer“ eingesetzt. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Beziehungen zwischen den Nazileitern stark verschlechtert. SA-Stabschef Erich Röhm forderte gesellschaftspolitische Reformen und äußerte öffentlich Zweifel an Hitler. Die Militärs sahen in der SA Konkurrenten und strebten nach ihrer Auflösung. Hitler stimmte der Liquidierung der SA-Spitze zu. Sie wurden von Leibwächtern Hitlers getötet.

Danach wurde die SS zur wichtigsten Angriffskraft der Nazis, die SA verwandelte sich in eine Art Sport- und Trainingseinheit. „Im Hinblick auf die großen Verdienste der SS, besonders im Zusammenhang mit den Ereignissen vom 20. Juni 1934, erhebe ich dieselbe zu einer selbständigen Organisation im Rahmen der NSDAP“, sagte Hitler am 20. Juli.

„Die SS sollte den Ruf eines Terrors um sich verbreiten und sie tat es auch, einen Ruf, den sie sorgfältig pflegte“, sagte Farr. Er zitierte Himmlers Broschüre „Die Schutzstaffel als antibolschewistische Kampforganisation“: „Ich weiss, dass es manche Leute in Deutschland gibt, denen es schlecht wird, wenn sie diesen schwarzen Rock sehen. Wir haben Verständnis dafür und erwarten nicht, dass wir von allzu vielen geliebt werden“.

Von Partei-Polizei zur Partei-Armee

1935 zählte die SS 164.000 Kämpfer, Himmler wollte sie dennoch weiter ausbauen.

Zusammen mit seinem engsten Mitstreiter Reinhard Heydrich schlug er Hitler vor, eine Bundespolizei, die der SS unterstellt sein soll, zu bilden. Innenminister Wilhelm Frick unterstützte zwar diese Idee, meinte aber, dass die Bundespolizei seinem Dienst unterstellt werden soll. Letztendlich gab er nach. Am 17. Juni schloss Hitler alle Einheiten der deutschen Polizei unter Leitung Himmlers zusammen. Nominell war Himmler Frick unterstellt, doch in der Tat waren die Polizeieinheiten eine SS-Division.

So bekam der Reichsführer die gesamten operativen Ressourcen Deutschlands unter seine Federführung. Kurze Zeit später ließ er die Kriminalpolizei ins Leben rufen. Dann wurden die Kriminalpolizei und die Geheime Staatspolizei (Gestapo) zur Sicherheitspolizei mit Heydrich an der Spitze  zusammengeschlossen. Im September 1939 entstand das SS-Reichssicherheitshauptamt (RSHA), das ebenfalls von Heydrich geleitet wurde, der unmittelbar Himmler unterstellt war. Er wurde als äußerst grausamer Leiter und eine der bösartigsten Figuren im Dritten Reich bekannt.

In der SS wurden eigene militärische Einheiten gebildet – Verfügungstruppe, SS-VT. 1939 wurden sie in Waffen-SS umgewandelt. Während es am Anfang an nur drei Regimente gab, wurden während des Zweiten Weltkriegs 38 Divisionen gebildet – sowohl rein deutsche, als auch aus den Völkern der beherrschten Länder.

Die nationale Zusammensetzung der SS-Einheiten war sehr vielfältig. Zunächst wurden sie aus den mit Deutschen  verwandten Völkern gebildet – Dänen, Holländern, Norwegern, Flandern. Dann schlossen sich ihnen Wallonen, Finnen, Schweden, Franzosen, Rumänen an. Danach wurden auch Slawen eingesetzt – Russen, Ukrainer, Weißrussen, Kroaten, Serben. Es gab sogar solche Verbände wie das Indische Freiwilligenlegion und SS-Division „Neues Turkestan“. Es gab nur keine polnischen, tschechischen, litauischen und griechischen Einheiten, obwohl Vertreter dieser Völker in anderen SS-Einheiten kämpften.

Von Babij Jar bis Oradour

 „Es ist oft behauptet worden, dass die Waffen-SS auszuscheiden sei und, was man auch zum Beispiel über SD und Totenkopf verbände sagen möge, die Waffen-SS etwas ganz anderes gewesen sei. Die Waffen-SS sei ein Teil des Heeres. Ich glaube, es ist wichtig, dass man von Anfang an zeigt, dass die Waffen-SS genau so ein Teil der SS, ein untrennbarer Bestandteil der ganzen Organisation ist, wie jede andere Gliederung“, sagte Farr.

SS-Männer kämpften zusammen mit dem Heer, doch formell waren sie nie ein Teil davon. Während es in der Wehrmacht jahrhundertealte Vorstellungen von Gesetz und Regeln des Krieges, Offizierspflicht und Ehre gab, richteten sich SS-Männer vor allem nach den Partei-Positionen zu „rassenminderwertigen“ Völkern und „Untermenschen“. Das Heer beging zwar auch Kriegsverbrechen, in den SS-Truppen waren sie jedoch extrem verbreitet. Daraus ergab sich eine gewisse Verachtung vieler Offiziere gegenüber den SS-Männern – „wir kämpfen und ihr seid einfach nur Schlächter“.

Das zeigte sich besonders prägnant zu Beginn des Zweiten Weltkriegs, während des Angriffs auf Polen. Damals wurden zur Überwachung der Regierungsdokumente und Einrichtungen in den besetzten Gebieten Einsatzgruppen gebildet – SS-Sondereinheiten. Doch laut Himmlers Befehl, gebilligt durch Hitler, wurden sie zu Todesschwadronen. Im Laufe des Jahres 1939 töteten die Einsatztruppen rund 65.000 polnische Staatsbürger, viele davon waren Intellektuelle. Allerdings muss betont werden, dass die Armee und Aufständischen ebenfalls an den Morden beteiligt waren.

Danach wurde diese Praxis auch in anderen Ländern massiv angewendet. Am 27. Mai 1940 traf eine Kompanie des Leutnants Fritz Knöchlein der SS-Totenkopfdivision im französischen Bauernhof Le Paradis auf den erbitterten Widerstand britischer Soldaten des zweiten Bataillons des Royal Norfolk Regiments. Als die Patronen zur Neige gingen, hissten 100 Briten die weiße Fahne und wollten  in Gefangenschaft gehen, doch auf Befehl Knöchleins wurden sie erschossen, der Rest wurde ebenfalls getötet. Am 29. und 30. September 1941 töteten SS-Einheiten und Einsatztruppen in Babij Jar bei Kiew 33.000 bis 100.000 Menschen – Juden, psychisch Kranke und andere Einheimische. Am 10. Juni 1944 töteten Angehörige der zweiten SS-Panzerdivision „Das Reich“ im französischen Dorf Oradour-sur-Glane 642 Menschen, darunter 245 Frauen und 207 Kinder. Das sind nur die bekanntesten der Hunderttausenden Fälle, die zeigen, wie sich SS-Männer gegenüber den Soldaten des Gegners und friedlichen Einwohnern verhielten.

Himmler wollte für die SS ein paralleles Wirtschaftssystem schaffen. 1940 wurde unter Schirmherrschaft des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes die Holding Deutsche Wirtschaftsbetriebe gebildet, die über verschiedene Firmen, Werke und Verlagshäuser verfügte. Die wichtigsten Finanzierungsquellen der SS waren Betriebe, die auf Grundlage der KZ-Lager eingerichtet wurden.

Posen-Beichte des SS-Chefs

Im Juni 1942 wurde Heydrich in Prag von Kämpfern der tschechischen Widerstandsbewegung getötet. Seitens der SS folgten grausame Vergeltungsaktionen – mehr als 13.000 Menschen wurden festgenommen, das tschechische Dorf Lidice wurde ausradiert. Zum neuen RSHA-Chef wurde im Januar 1943 Ernst Kaltenbrunner ernannt.

Gerade nach dem Tod Heydrichs beschloss Himmler, die „endgültige Lösung der jüdischen Frage“ zu beschleunigen, dessen Plan von Heydrich entwickelt wurde. Laut Befehl des SS-Reichsführers werden die ersten Todeslager als Grundlage für ein komplett entwickeltes System geschaffen und eine neue Methode der Massenermordung umgesetzt. Erschießungen und Hinrichtungen in Gaswagen wurden als nicht genug flächendeckende und zu psychisch belastende für die Henker Methoden eingestuft. Millionen Juden und Vertreter anderer Nationen wurden in Gaskammern getötet und dann in Krematorien verbrannt, wobei andere Häftlinge bei diesem grausamen Vorgang eingesetzt wurden.

Am 4. Oktober 1943 fand in Posen eine geheime Versammlung der SS-Spitze statt, die einige Tage dauerte. Am 6. Oktober hielt Himmler dort eine Rede, in der er direkt über die „Ausrottung“ des jüdischen Volkes sprach:

„Ich will hier vor Ihnen in aller Offenheit auch ein ganz schweres Kapitel erwähnen. Unter uns soll es einmal ganz offen ausgesprochen sein, und trotzdem werden wir in der Öffentlichkeit nie darüber reden. Genauso wenig, wie wir am 30. Juni 1934 gezögert haben, die befohlene Pflicht zu tun und Kameraden, die sich verfehlt hatten, an die Wand zu stellen und zu erschießen, genau so wenig haben wir darüber jemals gesprochen und werden je darüber sprechen…. Ich meine jetzt die Judenevakuierung, die Ausrottung des jüdischen Volkes“, sagte Himmler.

„Es gehört zu den Dingen, die man leicht ausspricht. – "Das jüdische Volk wird ausgerottet", sagt ein jeder Parteigenosse, "ganz klar, steht in unserem Programm, Ausschaltung der Juden, Ausrottung, machen wir." Und dann kommen sie alle an, die braven 80 Millionen Deutschen, und jeder hat seinen anständigen Juden. Es ist ja klar, die anderen sind Schweine, aber dieser eine ist ein prima Jude. Von allen, die so reden, hat keiner zugesehen, keiner hat es durchgestanden. Von Euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 da liegen oder wenn 1000 da liegen. Dies durchgehalten zu haben, und dabei – abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwächen – anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht. Dies ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte“, so Himmler.

So wurde Himmler zum Chefarchitekten des Holocausts und Kaltenbrunner zu einem seiner Vollzieher.

Vom Triumph zum Zusammenbruch

1943 entließ Hitler den Reichsminister des Inneren Wilhelm Frick und ernannte Himmler zu diesem Posten. Damit ergriff der SS-Reichsführer die ganze Macht über Polizei und Sicherheitsdiensten – sowohl in Deutschland, als auch in den besetzten Gebieten. Im August 1944 wurde er von Hitler beauftragt, die Waffen-SS, Armee und Polizeidienste umzubauen. Nun war Himmler für die Armee der Reserve, Gefangenen, Strafvollzugssystem der Wehrmacht zuständig und kuratierte die Entwicklung der Waffen.

SS-Reichsführer wurde de facto zur Person Nummer Zwei im Reich (Göring wurde zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr favorisiert). Zum Ende des Krieges leitete Himmler sogar die Heerestruppen Oberrhein und Weichsel, doch als unerfahrener Militär scheiterte er und konnte die Offensive der sowjetischen Truppen nicht zurückhalten. So enttäuschte sich Hitler in seinem treuen Anhänger. Als er eine unvermeidliche Niederlage im Krieg voraussah, versuchte er im April 1945 separate Verhandlungen mit westlichen Mächten zu organisieren.

Als Hitler dies erfuhr, setzte er Himmler in seinem prämortalen Vermächtnis von allen Posten ab, nahm ihm alle Auszeichnungen weg und vertrieb aus der Partei. Zum neuen SS-Reichsführer sollte der Gauleiter von Niederschlesien Karl Hanke werden, der dieses Amt jedoch nicht bekleidete.

Der große und kleine Nürnberger Prozess

Im Mai 1945 kapitulierte Nazi-Deutschland. Im Oktober 1945 wurde die SS für illegitim erklärt. Zusammen mit anderen Organisationen des Dritten Reichs wurde die SS vor dem Militärgerichtshof von Nürnberg gestellt.

„Die von diesem Gerichtshof zu entscheidende Frage ist lediglich die, ob die SS eine ungesetzliche Organisation war oder nicht. Das Beweismaterial hat klar gezeigt, welches die Ziele und die Tätigkeit der SS war. Einige dieser Ziele waren in Veröffentlichungen, die ich vor dem Gerichtshof zitiert habe, angegeben. Der Wirkungskreis war so weit verzweigt und so bekannt, er umfasste so viele Gebiete einer ungesetzlichen Tätigkeit, dass die Illegalität dieser Organisation nicht verborgen bleiben konnte“, sagte Farr.

Der Anwalt der SS, Horst Pelckmann, behauptete, dass die ganze Organisation wegen der Handlungen einzelner Mitglieder nicht für schuldig befunden werden darf. Zudem versuchte er zu beweisen, dass die SS und Himmler, der zum damaligen Zeitpunkt bereits Selbstmord begangen hatte, nicht ein und dasselbe sind, und viele SS-Angehörige von den Verbrechen gar nicht gewusst hatten. Letzten Endes war ihm zufolge sogar Kaltenbrunner kein SS-Chef.

Der Gerichtshof folgte seinen Argumenten nicht. Die SS ist heute ein Begriff, der mit äußerster und sinnloser Grausamkeit assoziiert wird.

Vom 27. September 1947 bis zum 10. April 1948 fand in Nürnberg ein einzelner Prozess über die Einsatztruppen statt, bei dem 14 Angeklagten zur Todesstrafe (für neun wurde später die Strafe gemildert) und acht zur Haftstrafe verurteilt wurden. Bei diesem Prozess gab es keine Freisprüche.

 

Quellen:

Konstantin Salesski. Die Schutzeinheiten des Nazismus: Vollständige Enzyklopädie der SS

Heinz Höhne. Der Orden unter dem Totenkopf: Die Geschichte der SS

A.Matwejewa. SS // Große russische Enzyklopädie

Stenogramm des Nürnberger Prozesses. Band III / Übersetzt aus dem Englischen und erstellt – Sergej Miroschnitschenko

William L. Shirer. The  Rise and Fall of the Third Reich

Robert Gerwarth. Hitler's Hangman: The Life of Heydrich

Max Williams. Reinhard Heydrich: The Biography: Volume 1

Peter Longerich. Heinrich Himmler: A Life

Chris McNab. The SS: 1923–1945

Richard J. Evans. The Coming of the Third Reich

Chris Bishop. SS: Hitler’s foreign divisions: foreign volunteers in the Waffen SS, 1940−1945

George H. Stein. The Waffen-SS

Gerald Reitlinger. SS. Alibi of a Nation

Martin Krechting. Die Zerstörung von Oradour-sur-Glane 1944

Ian Kershaw. Hitler: A Biography

Heinrich Himmler. The Complete Text of the Poznan Speech

 

Daniil Sidorow