Protokoll eines Verhörs des größten Massenmörders in den baltischen Sowjetrepubliken

 

Über die Verbrechen der Okkupanten in den baltischen Sowjetrepubliken und über den Rigaer Prozess berichtet Jurijus Trakselis, Leiter der Organisation „Institut des Kriegserbes“ (Vilnius, Litauen).

In den Jahren 1945 bis 1947 gab es auf dem Territorium der Sowjetunion insgesamt 17 offene Gerichtsprozesse gegen Kriegsverbrecher. Dabei wurden 221 Angeklagte verurteilt.

In der Litauischen Sowjetrepublik wurden von 1944 bis 1948 Verbrecher gefasst und verurteilt, denen es nicht gelungen war, mit dem größten Teil der Besatzungskräfte das Territorium der Republik zu verlassen. Unter ihnen waren die Leiterin eines Konzentrationslagers für Familien von Offizieren der Roten Armee, Elisabeta Seeling, ein anderer KZ-Chef namens Kurt Bensk sowie der Inspektor einer faschistischen Zeitung Hubert Schiller. 1946 wurde in Vilnius der Sicherheitskommandant des Gebietes Litauen, Generalmajor Emil Just, der in Berlin gefasst worden war, zur Todesstrafe verurteilt. Ein Teil der Strafverfahren gegen die Kriegsverbrecher, die in den Baltischen Sowjetrepubliken ihre Verbrechen begangen hatten, wurde nach Moskau, Weißrussland und in andere Gebiete weitergeleitet.

Die Angeklagten im Rahmen des Rigaer Prozesses, der vom 26. Januar bis 2. Februar 1946 dauerte, waren mit vielen Nazigrößen unmittelbar verbunden, die in Nürnberg verurteilt wurden, und deshalb nannten manche sowjetische Historiker den Rigaer Prozess den „sowjetischen Nürnberger Prozess“.

Dieser Prozess war juristisch und faktologisch gut vorbereitet. Das war eine Verpflichtung im Sinne der Nürnberger Prozesse, in deren „Fahrwasser“ der Rigaer Prozess folgte. Die sowjetischen Untersuchungsrichter hatten die Unterlagen des Reichskommissariats „Ostland“ gründlich analysiert, die die Hitler-Truppen in Riga hinterlassen hatten.  Von ihrer Tüchtigkeit zeugen unter anderem sehr ausführliche Bescheinigungen, die jedem Unterlagenband beigelegt waren, wie auch etliche andere Dokumente, die das Gebiet „Ostland“ betrafen. Neben Zeugenaussagen und den Angaben der Sonderkommission zur Ermittlung der Nazi-Verbrechen waren diese Unterlagen Teil der Beweislage des Rigaer Prozesses.

Im Rahmen des Prozesses wurde gezeigt, welche Instrumente die faschistischen Henker gegenüber ihren Opfern eingesetzt hatten, wie sie unschuldige Kinder, Frauen und Greise gefoltert hatten.

Das Gericht stellte den Umfang der materiellen Schäden fest, die Lettland während der deutschen Okkupation zugefügt worden waren. Die Generäle Jeckeln, Ruff, Monteton, Küpper sowie andere Angeklagte sprachen von „Todeszonen“, die sie nach dem Verbrennen von Hunderten Dörfern hinterlassen hatten. Angesichts der Beweise ihrer Verbrechen mussten sie auch zugeben, industrielle Anlagen, Kunstgegenstände, Einrichtungselemente von Kirchen und Klöstern nach Deutschland verbracht zu haben.

Die schrecklichsten Verbrechen hatte der SS-Obergruppenführer und General der Polizei Friedrich Jeckeln begangen. Es wurde bewiesen, dass er für Massenhinrichtungen von Juden, Roma und sowjetischen Kriegsgefangenen verantwortlich gewesen war. Jeckeln soll seine eigene Methode zum Massenmord erfunden haben: Menschen wurden gezwungen, sich auszuziehen, und noch lebendig begraben. Diese Hinrichtungsmethode ist als „Jeckeln-System“ in die Geschichte eingegangen.

Auf Verordnung Himmlers und Kaltenbrunners organisierte Jeckeln den Mord am orthodoxen Metropoliten Sergi. Im Dezember 1944 verfügte er die Hinrichtung von 160 friedlichen Einwohnern des lettischen Dorfes Zlekas. Ab März 1945 war er Kommandeur der SS-Truppen bei Frankfurt/Oder. Am 2. Mai wurde er von sowjetischen Soldaten festgenommen.

General Jeckeln war Organisator von drei besonders grausamen Massakern im Zweiten Weltkrieg: in Kamenez-Podolski (Westukraine), Babi Jar (Kiew) und im Wald von Rumbula (Lettland). Zwischen Februar und April 1943 leitete er die Bestrafungsoperation „Winterzauber“ gegen Partisanen im Norden Weißrusslands. Dabei haben lettische, litauische und ukrainische Kollaborateure mehrere Tausende friedliche Einwohner erschossen und verbrannt. Mehr als 10 000 Menschen wurden zur Zwangsarbeit nach Deutschland geschickt.

Quelle:

Protokoll eines Verhörs des Angeklagten Friedrich Jeckeln, SS-Obergruppenführer und General der Polizei, ehemaliger SS- und Polizei-Oberleiter in den Baltischen Sowjetrepubliken

30. Dezember 1945

Zentrales Archiv des Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB) Russlands

F. K-72, Op. 1, D. 17. L. 133-140.

Original. Übersetzung aus dem Deutschen